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Echtzeit-Kommunikation statt argumentieren im Autopilot
Executive Education / 31 October 2016
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Wolfgang is trainer, coach and published author in the field of communication. He has a PhD in mathematics and teaches his self-developed concept PEC - practical emotional competence throughout Germany and German-speaking countries. He provides seminars at the Frankfurt School of Finance & Management since 2010 in English and German. Prior to his trainer career he worked as a manager in sales and service for international renowned companies in Germany.

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Echtzeit-Kommunikation: Gespräche, Telefonate, Meetings und Verhandlungen bieten kaum Zeit zum Nachdenken. Erfolg hängt in diesen Situationen davon ab, welche Kompetenzen spontan abrufbar sind, denn es gibt keine Chance, in Checklisten zu schauen, Kollegen zu fragen oder gar mehrere Minuten nachzudenken. Für Sie kein Problem? Selbst, wenn man Sie nachts um drei Uhr weckt, haben Sie konkrete und bildhaft den Kundennutzen formulierende Argumente parat? Das ist gut, aber nicht gut genug.

Argumente verkaufen nicht!

Was spricht dagegen, dass eingängige, am Kundennutzen orientierte Argumente aus Interessenten schnell Käufer machen? Nun, dagegen spricht die Natur des Menschen und seine Informationsverarbeitung!

Zum Verständnis verfolgen wir den Weg eines Arguments ins Gehirn. Erster Checkpunkt ist die Amygdala. Dieser zentrale Bereich des Limbischen Systems dient der emotionalen Bewertung und Wiedererkennung von Situationen bei gleichzeitiger Analyse möglicher Gefahren. Von jeder Information, mit der wir konfrontiert werden, entsteht in der Amygdala ein erstes grobes Bild – und eine emotionale Bewertung: Gefährlich oder ungefährlich, kritisch oder harmlos?

Ist ein Argument nicht willkommen, wertet die Amygdala es kritisch und löst je nach unbewusster Einschätzung der Lage beim Adressaten Abwehr oder Rückzug aus. Ersteres äußert sich in spontanen Gegenargumenten, letzteres in Ausreden oder Rechtfertigung. Wirkliches Reflektieren und Abwägen des unwillkommenen Arguments finden nicht statt.

Solange uns ein Gesprächspartner skeptisch oder gar kritisch gegenübersteht, können wir mit Engelszungen formulieren – seine Amygdala wird Abwehr auslösen und das Eingehen auf unsere Argumente verhindern. Argumentieren scheitert an einem auf Abwehr eingestellten Autopiloten unseres Gegenüber!

Autopilot und Pilot

Der hier beschriebene Automatismus im Gehirn – unser Autopilot – setzt Umweltinformationen innerhalb von etwa 0,1 bis 1 Millisekunden in emotionale Reaktionen um. Der Autopilot ist etwa 150.000 mal schneller als das reflektierte Denken – unser Pilot. Das bewusste Erfassen und Bewerten einer Situation im Piloten braucht damit mindestens 15 Sekunden. Deshalb hat unser Pilot nur dann die Chance einzugreifen, wenn der erste emotionale
Impuls des Autopiloten nicht schon spontan zu einer Handlung geführt hat. Denn wenn wir Ablehnung spüren, drängt der Autopilot uns zu vermehrter Anstrengung, zu neuen, vielleicht stärkeren Argumenten. Es kommt zu einer Spirale aus Überredungsversuchen und deren Abwehr. Wie lässt sich diese Spirale stoppen? Was können wir tun, um unseren Argumenten eine reale Chance zu verschaffen?

Der Schlüssel liegt in den eben genannten 15 Sekunden! Der Autopilot sende pausenlos drängende Impulse zu argumentieren. Wenn es gelingt, dies auszuhalten, , bis unser bewusster Pilot die Situation erfasst hat, verlassen wir den Reaktionsmodus und agieren bewusst. Echtzeit-Kommunikation bedeutet also, das Gesprächstempo so weit zu reduzieren, dass es zu einem echten Austausch kommt, dass die Gesprächspartner auch reflektieren, was der jeweils andere sagt.

Echtzeit-Kommunikation bedeutet Kommunikation zu entschleunigen

Das bedarf einer gezielten „Umprogrammierung“ des eigenen Autopiloten durch Verinnerlichen der Regel „so lange ich nicht sicher bin, worum es meinem Gegenüber geht, sage ich nichts, was gegen mich verwendet werden kann“.

Neben der Akzeptanz dieser Regel bedarf das einiger Übung. Wir müssen lernen, die kurze Spanne von 15 bis 20 Sekunden im Wortsinn inne zu halten und darauf zu vertrauen, dass unserem bewussten Piloten in dieser Zeit eine Frage einfällt, die die Amygdala unseres Gegenüber nicht provoziert, sondern diesen zum Nachdenken bringt.

Reagiert ein Interessent etwa auf Ihren Preis mit „zu teuer“, hilft die Verteidigung des Preises nicht, auch wenn Ihre Argumente dafür absolut schlüssig sind. Die offene Frage dagegen, „Was außer dem Preis ist für Sie noch entscheidend?“, eröffnet ein Gespräch über mögliche Hintergründe des „zu teuer“. So erfahren Sie, welche Ihrer Argumente für Ihren Gesprächspartner wichtig sind. Zusätzlich gewinnen Sie wertvolle Zeit zum Nachdenken. Zum Beispiel über weitere zielführende Fragen und Argumente.

Nun können Sie selten im Gespräch 15 oder mehr Sekunden in Stille verharren. Denn Schweigen wird nach etwa fünf bis sechs Sekunden als drückend oder verlegen empfunden. Hier hilft unverbindlicher Small Talk. So bringt ein gedehntes „okay“ oder „Hmm“ eingerahmt von drei bis vier Sekunden davor und danach schon die halbe Zeit. Danach können Sie das „zu teuer“ wie in Gedanken verloren einfach wiederholen und sich nach weiteren drei bis vier Sekunden mit „danke, dass Sie das so direkt ansprechen“ die Zeit zu verschaffen, Ihre klärende Frage zu stellen.

Natürlich müssen Sie Ihren ganz persönlichen Small Talk für Zeitgewinn in kritischen Situationen finden – und so trainieren, dass er Ihnen leicht von den Lippen geht. Doch dann ist Ihr Weg frei für eine zielführende Echtzeit-Kommunikation.

Für weitere Informationen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung. Mehr über Trainingsmöglichkeiten zu Echtzeit-Kommunikation und effektiver Kommunikation erfahren Sie im Angebot der Frankfurt School.

 

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