FRANKFURT SCHOOL

BLOG

Internationale Testamentsvollstreckung und die Effekte der Globalisierung
Weiterbildung / 4. Februar 2016
  • Teilen

  • 7805

  • 0

  • Drucken
Senior Programm Manager Executive Education
Thomas Kohrs leitet den Bereich Asset & Wealth Management der Executive Education an der Frankfurt School. Er ist ausgebildeter Diplom-Bankbetriebswirt, der Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt in den Gebieten Wertpapier und Vertrieb. Er verfügt seit mehr als 25 Jahren über praktische Erfahrung als Berater, Trainer und Dozent an der Frankfurt School.

Autorenprofil

Mehr Blog Posts
IT-Governance im Fokus: DORA - Schlüssel zu digitaler Sicherheit im Finanzsektor
Alles unter Kontrolle? KI und maschinelles Lernen in der Finanzbranche
Kollektive Künstliche Intelligenz: Federated-Learning in der modernen Prüfung

Gerade im Bereich der grenzüberschreitenden Testamentsvollstreckung hat sich seit dem 17. August 2015 einiges geändert. Zwar ist die EU-Erbrechtsverordnung schon seit über drei Jahren verabschiedet (16. August 2012). Doch die rechtlichen Auswirkungen sind wegen der enthaltenen Bedingungen erst für Todesfälle in Kraft getreten, die ab Mitte August 2015 eingetreten sind. Galt bisher das Staatsangehörigkeitsprinzip, so gilt einheitlich ab diesem Datum das Recht des Staates, in welchem der Verstorbene (der Erblasser) seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Damit einher geht eine klare Vereinheitlichung des internationalen Privatrechts.

Herausforderungen der internationalen Testamentsvollstreckung

Auch die internationale Testamentsvollstreckung bekommt die Auswirkungen der Globalisierung zu spüren. Dazu kommt, dass die Testamentsvollstreckung, besonders die Dauertestamentsvollstreckung im Ausland häufig unbekannt ist. Das führt dazu, dass diese dann nicht umgesetzt wird, wenn ein anderes Erbstatut gilt, als das Deutsche. Die zunehmende Mobilität innerhalb der Weltbevölkerung hat dazu beigetragen, dass Testamentsvollstreckung nicht selten auf internationalem Parkett agiert und sich oftmals mit grenzübergreifenden Sachverhalten konfrontiert sieht. Da ist es beispielsweise nichts Ungewöhnliches mehr, wenn der Verstorbene an unterschiedlichen Stellen in Europa ein Bankkonto hat, vielleicht eine kleine Ferienwohnung in Österreich. Eine Finca auf Mallorca oder ein kleines Häuschen im Hinterland der Cote d’Azur! Was geschieht aber, wenn das irdische Dasein plötzlich ein jähes Ende findet und der Erblasser keine Entscheidung darüber getroffen hat, was mit seinem Vermögen passieren soll? Widerstreitende Interessen der Erben und natürlich auch der Staaten, in denen sich der Verstorbene mal sehr wohl gefühlt hat, bedingen oftmals langwierige Rechtsfälle und Auseinandersetzungen vor Gerichten.

Entscheidungsbefugnisse des Erblassers

Schauen wir uns doch einfach mal einige kleine – zugegebenermaßen – vereinfachte Beispiele an: Der Nachlass einer dauerhaft in Deutschland wohnenden Person (egal, welcher Staatsangehörigkeit) wird nach deutschem Erbrecht vererbt, das ist noch recht unspektakulär. Aber, der in Deutschland lebende Franzose stirbt und ordnet in seinem Testament die Dauertestamentsvollstreckung an: Die Zulässigkeit und Wirkungen der Testamentsvollstreckung beurteilen sich dann nach deutschem Erbrecht. Doch es besteht eine Rechtswahl in Bezug auf das anzuwendende Recht. Der Erblasser kann individuell entscheiden, welches Recht Anwendung finden soll. Der Erblasser erhält also eine Entscheidungsbefugnis. Er kann im Ergebnis wählen, ob er das Recht des Staates wählt, dem er im Zeitpunkt der Rechtswahl oder im Todeszeitpunkt angehört, oder das Recht des Staates, in dem er zum Zeitpunkt des Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Auch dazu ein Beispiel: Ein dauerhaft in Frankreich lebender Deutscher kann durch ein Testament oder einen Erbvertrag deutsches Erbrecht wählen. Die Zulässigkeit und Wirkungen der Testamentsvollstreckung beurteilen sich nach deutschem Erbrecht. Ohne Rechtswahl wäre französisches Recht anwendbar. Dabei gilt auch folgendes: Hat ein Erblasser mehrere Staatsangehörigkeiten, kann er das Recht eines dieser Staaten wählen.
Es liegt dabei schon in der Natur der Sache, dass für deutsche Erblasser für vor dem 17. August 2015 errichtete Testamente und Erbverträge eine Rechtswahlvermutung zugunsten des deutschen Rechts besteht (Art. 83 Abs. 4 der Verordnung). Doch gibt es gibt keine Rechtswahlvermutung bei gesetzlicher Erbfolge.
Auch ist zu beachten, dass das nationale materielle Erbrecht, das Steuerrecht und Güterrecht der Mitgliedstaaten durch die Verordnung unberührt bleiben. Die positive Folge der Erbrechtsverordnung hat auch Auswirkungen auf die internationale Anwendbarkeit: Die erbrechtlichen Entscheidungen der teilnehmenden Mitgliedstaaten werden in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt und können vollstreckt werden.

Form folgt Funktion

Gerade im deutschen Erbrecht galten bisher strikte Formvorschriften wie die handschriftliche Abfassung des Testaments (bei eigenhändiger Erstellung) oder die Möglichkeit des Berliner, also gemeinschaftlichen Testaments von Eheleuten. Letzteres ist aber im Ausland zum Beispiel völlig unbekannt und wäre in vielen Ländern aufgrund der dort geltenden Vorschriften ungültig. Deshalb gilt für die Form der letztwilligen Verfügungen von Todes wegen, dass diese nicht vom Erbstatut umfasst wird, sondern gesondert geregelt ist. Die Formwirksamkeit richtet sich nach dem Haager Übereinkommen über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht (1961), das in deutsches Recht fast wörtlich übernommen worden ist (vgl. Art. 26 EGBGB). Das Übereinkommen sieht eine Vielzahl von Anknüpfungskriterien vor, nach denen ein Testament formwirksam ist. Dabei ist das Ziel, die Verwirklichung des – im Zweifel zu ermittelnden – Erblasserwillens.Auch hierzu ein kleines Beispiel: Der deutsche Erblasser E errichtet während seines Urlaubs in Indien ein maschinengeschriebenes Testament unter Hinzuziehung von zwei Zeugen und ordnet Testamentsvollstreckung an: Ein maschinengeschriebenes Testament ist nach deutschem Recht ungültig, nach indischem Recht wäre es hingegen formwirksam. Das Testament könnte u.U. demnach auch in Deutschland als formwirksam anerkannt werden, obwohl es den in Deutschland geltenden Formvorschriften (notarielle Beurkundung oder eigenhändig geschrieben und unterschrieben) nicht genügt.

Herausforderungen an die kundenorientierte Beratung in der Finanzdienstleistung

Die neue Erbrechtsverordnung hat schon jetzt gravierende Auswirkungen auch auf die Bürger in Deutschland, sofern ausländisches Vermögen vorhanden oder aber der Wohnsitz (zumindest in der meisten Zeit des Jahres) im Ausland ist. Es gilt, dass Bankenberater und Finanzdienstleistern mit geschulter aktueller Fachkompetenz rechtzeitig auf ihre Kunden zugehen. Auf der Basis einer serviceorientierten Vermögensbetreuung sollte der Blick auf Sachverhalte gelenkt werden, die im Interesse des Kunden liegen, bevor es, im wahrsten Sinne des Wortes, zu spät ist. Gerade die demografische Entwicklung in Deutschland, mit immer älter werdenden Nachkriegsgenerationen, bringt das Thema auf die Tagesordnung. In den nächsten Jahren werden zum Teil erhebliche Vermögenswerte vererbt. Das trägt dazu bei, dass Testamentsvollstreckung – ob mit nationalen oder internationalen Rechtsaspekten und Fragestellungen – in der Finanzdienstleistungsbranche immer mehr an Bedeutung gewinnt.
Die Frankfurt School bietet eine umfassende Weiterbildung  zum zertifizierten Testamentsvollstrecker an. (8 Präsenztage, Dauer insgesamt ca. 4 Monate) Unter anderem ist auch ein Modul über die Internationale Testamentsvollstreckung integriert. Alle Module sind einzeln buchbar.

0 Kommentare

Senden