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Systemische Risiken: Wie erkennen und abwehren?
Weiterbildung / 25. September 2014
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Leiter Executive Education
Armin Nilles ist Leiter des Executive Education der Frankfurt School.

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Seit der Finanzkrise reden alle von „systemischen Risiken“, „systemisch relevanten Banken“ usw. Die Krise schafft das Bewusstsein dafür, dass eine schonungslose Risikobewertung nur die eine Seite der Medaille ist. Wie sieht es mit der anderen Seite aus: Wie können wir die Überlebensfähigkeit von Systemen und Organisationen prüfen? Soll man jetzt als Prüfer weiterhin „systematisch“ und zusätzlich neu „systemisch“ prüfen? Ja, denn das macht tatsächlich einen entscheidenden Unterschied aus. Abgeleitet ist der Begriff „Systemisch“ aus dem systemischen Konstruktivismus. Dieses Denkmodell setzt sich damit auseinander, wie Wirklichkeit konstruiert wird und stellt fest: Wir „bauen“ Wirklichkeits-Modelle, um  Komplexität zu reduzieren. So können Ursache-Wirkungsverhältnisse beobachtet werden. An sich ist das keine neue Erkenntnis. Die systemische Theorie erhebt zusätzlich den „System“-Begriff selbst zum Untersuchungsgegenstand. Sie überprüft, wie die Modellierung des Modells entsteht und welche Auswirkungen eine Modifizierung dieses Modells auf den Erkenntnisgewinn hat. Zusätzlich untersucht sie, wie sich das System durch die Einführung eines Beobachters/Prüfers verändert. Kämen andere Beobachter zu denselben Annahmen, Modellen und Aussagen?  Kurzum: Wie wirklich ist die Wirklichkeit? Indem vertraute Gewissheiten hinterfragt werden, werden andere, neue und bedeutungsvolle Sichtweisen und Erklärungen ermöglicht. Das ist die Grundannahme des Systemischen Prüfungsansatzes. Im systemischen Prüfungsansatz interessiert deshalb: Aus welchen Akteuren, Prozessen und Interaktionen besteht der Untersuchungsgegenstand, um sie formal als System zu definieren und zu untersuchen? Welche weiteren Akteure, Prozesse und Interaktionen wirken zusätzlich, quasi von „außerhalb“ auf dieses System ein, obwohl sie formal nicht dazu gehören? Wie beeinflussen sich diese Systeme wechselseitig? 640px-Zoom_effect Mit diesen Fragen gelingt es, beliebig von der Zoom-Perspektive in die Weitwinkel-Perspektive und wieder zurück zu wechseln. Und allein schon aus dem Wechsel dieser Perspektiven werden Unterschiede sichtbar, die bedeutsam sein können. Selbstverständlich werden die formal beschriebenen Prozesse erst durch die in diesem System arbeitenden Menschen „lebendig“ – und deshalb interessiert:  Welche Rollen, Erwartungen, offenen und auch verdeckten Spielregeln gelten innerhalb und zwischen diesen Systemen? Diese Handlungsmuster beschreiben die (Selbst-)Organisation des Systems und erklären, wie effektiv und flexibel es auf interne und externe Störungen reagiert. Ähnlich wie in einem Windspiel, einem Mobile, reagieren die einzelnen Systemelemente dynamisch auf Einwirkungen. Die Zuordnung der einzelnen Elemente bleibt eindeutig – und dennoch kann so etwas Simples  (um im Bild zu bleiben) wie starker ein Luftzug die Position der Stränge und Elemente stark verändern. Und haben sich einzelne Elemente miteinander „verheddert“, hilft die zuvor beschriebene eindeutige Zuordnung wenig. Das Gesamtsystem (im Bild: das Mobile) gerät in eine Schieflage.

Das Gesamtsystem gerät in eine Schieflage.

Wenn also die Wirklichkeit unsere Konstruktion ist, kann sie auch wieder de-konstruiert werden, um sie überprüfbar zu machen. Dazu hat die Systemische Prüfung verschiedene Methoden zusammengestellt, die aus verschiedenen Wissenschafts- und Beratungsdisziplinen stammen und dort erfolgreich eingesetzt werden. Petra Haferkorn, Prüferin von Risikomodellen bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin, liefert dazu einen systemtheoretischen Prüfungsansatz für die Interne Revision.  Promoviert hat sie bei Fritz B. Simon, der am Wittener Institut für Familienunternehmen Professor für Führung und Organisation ist und der sich durch seinen interdisziplinären Ansatz auszeichnet. Wir fanden, dass insbesondere der praktischen Umsetzung ihres Prüfungsansatzes Bedeutung zukommt und haben im Herbst letzten Jahres Petra Haferkorn als Dozentin gewonnen. Gemeinsam mit anderen Dozenten und Dozentinnen stellt sie neue Prüfungsmethoden in unserem Zertifikatsstudiengang „Certified Audit Professional (CAP)“ vor. Unser Ziel: Wir fördern und entwickeln die Methoden- und Handlungskompetenzen der Internen Revisoren, damit sie auch in für sie unbekannten Prüfungsfeldern wirkungsvoll agieren können.

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