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Aktuelle Entwicklungen im Real Estate – Zeitenwende in der Immobilienbranche?
Weiterbildung / 13. Dezember 2022
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Jürgen Pfeffer ist Dozent an der Frankfurt School. Seine Schwerpunkte liegen auf dem Gebiet gewerbliche und wohnwirtschaftliche Immobilienfinanzierung, Bauträgerfinanzierung und Working Capital Management.

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Über fast eineinhalb Jahrzehnte war die deutsche Immobilienbranche vom Erfolg verwöhnt. Doch jetzt sieht sie sich einem wahren Cocktail an veränderten Rahmendaten gegenüber, der die Märkte nachhaltig verändern könnte: Hohe Inflation mit steigenden Zinsen, Lieferengpässe mit knappem Baumaterial, steigende Bau- und Energiekosten, erhöhte Anforderungen an die Nachhaltigkeit von Immobilien – dazu kommt eine drohende Rezession. Angesichts dieses Szenarios sind Kreditinstitute vorsichtiger geworden, zumal auch die Bafin die regulatorischen Vorschriften verschärft hat. Wegen der deutlich höheren Zinsen wird die Nachfrage nach Immobilienkrediten sinken. Kaufinteressenten zögern oder stellen ihre Immobilieninvestitionen zurück. Immobilienprojektentwicklungen werden gestoppt, verschoben oder gleich storniert. Zugegeben, die aktuelle Lage ist in ihrer Gesamtheit für die Immobilienwirtschaft sehr herausfordernd. Hier sind neue Kompetenzen gefragt, denn gleichzeitig eröffnet sich die Chance, sich in einem sehr dynamischen Umfeld neu und zukunftsfähig zu positionieren.

Die Nutzungsarten von Immobilien sind unterschiedlich betroffen

Besonders betroffen ist aktuell der Wohnungsbau, insbesondere der Neubau von Wohnungen. Die um rund drei bis vier Prozentpunkte gestiegenen Zinsen und die Baukostensteigerungen haben den Neubau für viele Investoren und Projektentwickler an vielen Standorten unrentabel gemacht. Hinzu kommen vor allem in den großen Ballungsräumen über Jahre stark gestiegene Mieten, bei denen zumindest kein signifikantes Mieterhöhungspotenzial besteht, um die Profitabilität von Immobilieninvestitionen zu gewährleisten. Die gestiegenen und weiter hoch bleibenden Energiekosten schränken den Spielraum für Mieterhöhungen erheblich ein, wenn sie nicht zu tendenziell sinkenden Mieten führen. Das politische Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr dürfte – mit Blick auf die aktuelle Lage und die oft sehr langwierigen und mit herausfordernden Auflagen versehenen Baugenehmigungen – eher nicht erreicht werden.

Dagegen befindet sich der deutsche Markt für Büroimmobilien in einer Position der Stärke. Der Leerstand ist niedrig und das anstehende Neubauvolumen moderat. Hochwertige Büroflächen sind unverändert knapp. Hinzu kommt, dass der Dienstleistungssektor, der die Nachfrage nach Büroflächen maßgeblich bestimmt, weiterhin expandiert.

Anders ist die Lage im Segment der Einzelhandelsimmobilien: Hier sind die Preise selbst in 1a-Lagen schon seit der Corona-Pandemie weiter rückläufig – eine Entwicklung, die aufgrund der aktuellen Unsicherheiten anhalten dürfte. Positiver sieht es für Immobilien des Lebensmitteleinzelhandels aus – aufgrund ihrer Relevanz bei der Versorgung der Bevölkerung mit Produkten des täglichen Bedarfs. Allerdings dürfte hier in vielen Regionen ein sehr hoher Grad an Marktsättigung erreicht sein.

Entwicklungsszenarien und Handlungsoptionen für Immobilienfinanzierungen

Es besteht die Tendenz zu risikoärmeren Immobilienfinanzierungen mit erhöhten Eigenkapitalanforderungen der Finanzierungsinstitute. Investoren mit unzureichendem Eigenkapital werden eher aus dem Markt gedrängt, da sich auch die Beschaffung eigenkapitalähnlicher Mittel wie Mezzanine-Kapital erheblich verteuert hat. Viele Immobilien werden künftig schon allein deshalb nicht realisiert werden können, weil die damit verbundenen Fremdkapitalfinanzierungen nicht die geforderte und an die neuen Marktgegebenheiten angepasste Kapitaldienstfähigkeit aufweisen. In Zeiten extrem niedriger Zinsen war dieser marktlimitierende Effekt mehr oder weniger außer Kraft gesetzt.

Insbesondere Projektentwicklungen werden erheblich kritischer betrachtet. Dies betrifft insbesondere die Projektkalkulationen wegen der gestiegenen und/oder teils kaum verlässlich zu kalkulierenden Baukosten (z.B. für Stahl, Holz), aber auch die erhöhten Unsicherheiten über die künftig erzielbaren Verkaufspreise. Immobilien-Projektentwickler müssen künftig noch mehr auf eine gute Produkt- und Lagequalität bei realistischerweise erzielbaren Verkaufspreisen achten.

ESG und Nachhaltigkeit in der Immobilienbranche

Der Immobilienmarkt wird sich auf mittlere Sicht stark differenzieren. Zeitgemäße und vor allem nachhaltige Immobilien mit guter Lage- und Produktqualität werden verstärkt nachgefragt werden. Das aktuell schon große Interesse institutioneller Investoren an sogenannten Green Bonds, auch im Immobilienbereich, wird sich weiter verstärken. Dies betrifft nicht nur Neubauimmobilien, sondern es erhöht auch den Druck auf Immobilieneigentümer, ihre Bestandsimmobilien im Sinne der Nachhaltigkeitskriterien zu modernisieren bzw. zu sanieren. Auch Finanzierungsinstitute werden sich diesem Trend nicht entziehen können, sondern im Vergleich günstigere Refinanzierungsmittel dann weitergeben, wenn die zu finanzierende Immobilie den anerkannten Nachhaltigkeitskriterien gerecht wird.

Auswirkungen der politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen auf die Immobilienbranche

Spätestens für 2023 wird eine Rezession für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland erwartet. Inflation und Zinsniveau werden auch weiterhin hoch bleiben. Daraus folgt, dass die bereits heute erkennbaren Entwicklungen weiterlaufen. Die Verwerfungen in den Märkten werden dabei kurzfristig umso gravierender sein, je tiefer die Rezession ausfällt und je länger Inflation und Zinsen auf dem aktuellen hohen Niveau bleiben. Sobald sich die oben genannten vielfältigen (auch weltpolitischen) Unsicherheiten für die Marktteilnehmer wieder merklich reduzieren und eine verbesserte Planbarkeit der Wirtschaftlichkeit und Umsetzung ihrer Immobilieninvestitionen erlauben, wird der laufende Prozess dynamischer Veränderungen im Immobiliensektor sukzessive zu seinem vorläufigen Ende kommen.

Im langfristigen Kontext betrachtet, erscheinen die letzten eineinhalb Jahrzehnte für die deutsche Immobilienwirtschaft wie eine extrem positive Ausnahmesituation, die nach dynamischen Veränderungen in eine wieder normale Marktphase mündet: Die Märkte werden sich auf langfristig tragfähige und wirtschaftlich gesunde Projekte konzentrieren, ohne dass sie getrieben werden von extrem niedrigen Zinsen und übertriebenen Preissteigerungserwartungen.

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