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Corona-Krise: Anleihekäufe der EZB an der Grenze zur Staatsfinanzierung?
Weiterbildung / 8. April 2020
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Projektkoordinatorin Professional & Executive Education
Maria Tonder ist als Projektkoordinatorin im Bereich Professional & Executive Education tätig. Sie betreut Weiterbildungsprogramme in den Themenfeldern „Banking und Zahlungsverkehr“ und „Kommunikation und Vertrieb“.

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Die Corona-Pandemie mitsamt der wirtschaftlichen Folgen trifft und betrifft Staaten, Unternehmen und Menschen weltweit in einem Ausmaß, wie schon lange keine Krise mehr – mit nach wie vor ungewissem Ausgang. In diesen unsicheren Zeiten spielen Zentralbanken und der Einsatz der ihnen zur Verfügung stehenden geldpolitischen Instrumente eine wichtige Rolle in der Stabilisierung der jeweiligen Märkte. Die People’s Bank of China kaufte den Banken beispielsweise Wertpapiere ab und stellte ihnen somit kurzfristig Geld zur Verfügung (reverse repos), das wiederum in Form von Krediten in das Wirtschaftssystem fließen soll. Die Bank of England und die Nationalbank der USA, Federal Reserve System, haben ihren Leitzins auf fast null Prozent gesenkt, um eine möglichst günstige Kreditaufnahme zu gewährleisten. Die EZB reagierte Ende März mit dem Notkaufprogramm „PEPP“ (Pandemic Emergency Purchase Programme), in dessen Rahmen zusätzliche Anleihen in Milliardenhöhe erworben werden sollen.

Kurzer Rückblick

Zu den geplanten Anleihekäufen zählen auch Staatsanleihen – was eine seit längerer Zeit schwelende Diskussion über die Rechtmäßigkeit dieses Vorgehens erneut entfacht hat. Bereits seit 2010 werden Staatsanleihen durch die EZB erworben, damals noch im Rahmen des Securities Markets Programme (SMP). Unter dem ehemaligen Präsidenten der Zentralbank, Mario Draghi, kam das Thema 2012 öffentlichkeitswirksam auf die Agenda: Mit seiner Ankündigung, für die Eurorettung „whatever it takes“ zu tun, sorgte er für einen Wendepunkt in der Krise. Der Ankauf von Staatsanleihen wurde in diesem Zusammenhang genannt und später im Rahmen des Programms Outright Monetary Transactions (OMT) festgehalten. Kurz vor seinem Ausscheiden aus der EZB startete Draghi im November 2019 erneut ein groß angelegtes Anleihekaufprogramm, das mit einem monatlichen Volumen von 20 Milliarden EUR umgesetzt wird. Mit dem PEPP unter Lagarde wurde die Kaufsumme mit 750 Milliarden EUR nun nochmals ordentlich aufgestockt.

Besonderheiten bei PEPP

Neben der hohen Summe, zeichnet sich das PEPP vor allen Dingen durch weniger strenge Kaufauflagen für Staatsanleihen aus. Im Angesicht der Corona-Krise sollen so flexiblere Handlungsmöglichkeiten gewährleistet werden. Griechische Staatsanleihen, die zuvor aufgrund der schlechten Kreditratings von den Programmen der EZB ausgeschlossen waren, sind nun ebenso wie Staatsanleihen mit einer Laufzeit von 70 Tagen (zuvor lag die Untergrenze bei einem Jahr) erwerbbar. Zudem ist die Auflage, nicht mehr als ein Drittel der Anleihen eines Eurolandes aufkaufen zu dürfen, im PEPP aufgehoben.

Warum ist der Kauf von Staatsanleihen umstritten?

Laut einiger Experten bewegt sich die Zentralbank mit dem Kauf von Staatsanleihen in einer rechtlichen Grauzone: Der „unmittelbare Erwerb von Schuldtiteln“ eines Staates durch die EZB ist nach Artikel 123 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verboten. Da die Staatsanleihen allerdings über den Sekundärmarkt, also über Banken erworben werden, handelt es sich nicht um eine direkte Finanzierung. Dennoch können diese Banken mit dem Geld der EZB neue Staatsanleihen kaufen, was somit letztlich zur Verbesserung des staatlichen Haushaltsdefizites beiträgt. Zudem sinkt die Zinslast für die Staaten, was ein weiterer indirekter, sich positiv auf die Finanzlage auswirkender Effekt ist. Bereits das OMT wurde vor den Europäischen Gerichtshof gebracht – und für rechtens erklärt. Auch für das Anleihekaufprogramm vom November vergangenen Jahres wurde eine Klage beim Bundesgerichtshof eingereicht, deren Urteil noch aussteht. Die lockeren Auflagen des PEPP, sorgen vor diesem Hintergrund aktuell erneut für kontroverse Diskussionen.

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