Jede Firma unterliegt immer auch einem gewissen Risiko, deshalb führen größere Unternehmen einmal jährlich eine Risikoinventur durch. Die Risikoinventur beantwortet dabei eine Frage: Was kann im Unternehmen schieflaufen? Für Nicht-Finanzunternehmen steht hier vor allem das Geschäftsrisiko im Vordergrund, dass sich das Produkt/die Dienstleistung nicht so oft und/oder nicht zum geplanten Preis verkaufen lässt. Finanzunternehmen wie Banken und Investmentfonds beschäftigen sich eher mit Finanzrisiken im Bestandsgeschäft beispielsweise Kredit- und Marktpreisrisiken. Die Corona-Epidemie hat die Unternehmen unerwartet getroffen. Jetzt zeigt sich, ob das Risikomanagement vorbereitet war.
Banken sind von der Viren-Epidemie kurzfristig vor allem durch Marktturbulenzen, Liquiditätsabflüsse und höhere Kreditnachfrage betroffen. Mittelfristig stehen erhöhte Ausfälle der Kreditnehmer auf dem Plan. Die gute Nachricht: Trotz dieser drastischen Herausforderung sind die Banken weitestgehend gewappnet – ohne sich explizit auf das Virenszenario vorbereitet zu haben. Generell gilt: Banken sind auf Szenarien, wie sie 2018 durch die EBA (European Banking Authority) europaweit getestet wurden, vorbereitet. Ein Szenario, wie es gerade durch die Ausbreitung von COVID-19 stattfindet, kann somit durch in die Risikoinventur einbezogene Szenarien kompensiert werden. Voraussetzung hierfür ist, dass die kurzfristigen Marktturbulenzen und die mittel- bis langfristige Rezession nicht viel schlimmer ausfallen, als die getesteten Einzelszenarien.
An welcher Stelle die Epidemiewirklichkeit schlimmer sein kann, als die EBA Rezession (2018) liegt in der Kurzfristigkeit: Ein sechswöchiger, erzwungener Stopp einiger Wirtschaftszweige (Transport, Einzelhandel, …) wirkt beispielsweise wie eine Rezession im Zeitraffer. In einer normal verlaufenden Rezession gehen Absätze über Monate zurück. Aktuell gehen Absätze innerhalb von Tagen nicht nur zurück, sondern fallen ersatzlos für einige Wochen weg. Das kann zu Liquiditätsengpässen führen, weil große Unternehmen, Mittelständler und Selbständige ihre Ersparnisse abziehen müssen, um trotz Umsatzwegfall laufende Kosten zahlen zu können. Banken sind auf 50% Einlagenabzug bei Unternehmen, aber nur ca. 10% bei Mittelständlern und Selbständigen vorbereitet. Besonders die Sparkassen könnten hier Abzüge erleben, die über die getesteten hinausgehen. Wenn die Unternehmen ihre Liquiditätsreserven abgezogen und aufgebraucht haben, wird sich die Inanspruchnahme von Betriebsmittel-/ Dispositionskrediten erhöhen. Für die Ausfallwahrscheinlichkeit und BIP Entwicklung hängt hier viel davon ab, ob die Banken diese Nachfrage trotz Kapitalknappheit bedienen können und wollen. Hier ist durchaus denkbar, dass der Staat Kredite zur Verfügung stellt, welche die Banken einfach durchleiten, deren Risiken sie aber nicht tragen, und die damit auch ihre Kapitalquoten nicht belasten.
Unternehmen bereiten sich in ihrem Risikomanagement auf die operativen Einschränkungen, Verluste und Liquiditätsengpässe von möglichen Krisen durch Geschäftsfortführungspläne sowie Kapital- und Liquiditätspuffer vor. Damit sollten Unternehmen für Rezessionen und Marktturbulenzen gewappnet sein. Dass Unternehmen das Szenario „Viren-Epidemie“ bisher nicht getestet haben, bedeutet nicht, dass sie auf die Konsequenzen nicht vorbereitet sind. Nur wenn das Szenario „Viren-Epidemie“ sehr viel schwerwiegender und zeitlich ganz anders gelagert ist, als die von Unternehmen getesteten Standardszenarien „Rezession“ und „Marktturbulenzen“, sind Unternehmen auf die finanziellen Konsequenzen der Viren-Epidemie schlecht vorbereitet. Ereignisse wie dieses treffen jedes Unternehmen mehr oder weniger stark. Ein Unternehmen und seine Aktionäre können nicht alle Risiken absichern. Insbesondere wenn die Umsatzausfälle durch staatlich verordnete Dekrete zu Gunsten der Allgemeinheit erzwungen werden, sollten die Kosten dafür nicht privatisiert, sondern ebenfalls sozialisiert werden Zukünftig ist zu erwarten, dass Epidemieszenarien weniger drastisch ausfallen, weil die Politik und Unternehmen besser vorbereitet sind und mit der bei CoVID-2019 gesammelten Erfahrung gezielter reagieren können. In jedem Falle sollte ein Viren-Epidemieszenario als „Absatz-Flashszenario“ von jedem Unternehmen zukünftig zumindest in Betracht gezogen werden.