FRANKFURT SCHOOL

BLOG

Die Finanzkleider der großen Koalition
Accounting & Finance / 12. Juli 2014
  • Teilen

  • 4149

  • 0

  • Drucken
Professor of Accounting
Jörg R. Werner is Professor of Accounting at Frankfurt School of Finance & Management. His research areas are international and comparative accounting with a particular focus on empirical methods, but also on regulatory issues in accounting and corporate governance.

Autorenprofil

Mehr Blog Posts
Wird die positive ESG-Performance von KMUs durch Zinsrabatte von Banken belohnt?
Are SMEs ready for ESG Reporting? Opportunities and Challenges
Can a set of minimum ESG reporting standards solve the ESG reporting dilemma?

Wer kennt es nicht, das Märchen von des Kaisers neuen Kleidern. Alle loben deren Pracht, und doch ist der Kaiser nackt. Ein gleichermaßen prächtiges (Finanz-) Kleid könnte auch die neue und voraussichtlich große Koalition tragen: Dieses Kleid wird durch neue soziale Wohltaten geschmückt und doch durch ein enges Korsett geformt: Keine neuen Schulden mehr, wie es alsbald die Schuldenbremse will, und auch Steuererhöhungen soll es nicht geben. Wie das gehen kann? Naja, der Kaiser ist nackt, funktionieren kann das so nämlich nicht, zumindest nicht mittelfristig. Die bittersüße Verlockung: Die Kassen des Bundes aktuell sind unbestritten voll. Daraus den Schluss zu ziehen, es ließen sich neue Sozialprogramme auflegen, wäre allerdings fatal. Denn im Wesentlichen profitiert der Bundeshaushalt von Effekten, deren Nachhaltigkeit fragwürdig ist. Erstens positiven Effekten, die aus der sehr guten Lage auf dem Arbeitsmarkt resultieren. Zweitens aus dem Vorteil historisch niedriger Zinsen. Vor allem dieser Zinsvorteil ist fragil. Zur Erinnerung: Die Zinsen sind im Keller, damit die wirtschaftliche Notlage andere europäische Länder gelindert wird. Doch auch Deutschland profitiert massiv von dieser Politik: Müsste der Bund auf seinen aktuellen Schuldstand noch den Durchschnittszinssatz des Jahres 2007 zahlen, dann würde im Haushalt ein Betrag fehlen, der deutlich über dem Gesamtetat des Bundesministeriums für Bildung und Forschung liegt. Wenn die Bundesregierung die Unabhängigkeit der Zentralbank nicht aushöhlen möchte, dann sollte sie bei der Entscheidung über neue Wohltaten ihren Beitrag dafür leisten, dass Zinssätze in Zukunft auch wieder steigen können. Mehr Ausgaben für Zinsen, mehr für soziale Wohltaten – und das Jahr für Jahr in einer Situation, in der die Schuldenbremse zu greifen beginnt. Da gibt es dann allerdings nur ein Ventil: die Steuererhöhung. Da können sich also vor allem diejenigen entspannt zurücklehnen, die im Wahlkampf Steuererhöhungen forderten. Denjenigen aber, die sie vehement ausschlossen, denen sei zugerufen: der Kaiser ist nackt!

0 Kommentare

Senden