Der Divestment-Ansatz gewinnt derzeit bei privaten und institutionellen Investoren an Bedeutung. Immer mehr Stiftungen, Pensionsfonds und Städte verpflichten sich öffentlich dazu, Aktien und Anleihen von Unternehmen zu veräußern, die ihr Geld mit dem Abbau und der Nutzung von fossilen Energieträgern verdienen. Die frei werdenden Mittel werden dann zumindest teilweise in erneuerbare Energien investiert. Dabei vermischen sich ökonomische mit gesellschafts- und klimapolitischen Motiven.
Divestment ist das Gegenteil von Investment. In diesem Zusammenhang bedeutet das den Abzug von Kapital aus Unternehmen, die ihr Geld mit der Ausbeutung oder Nutzung fossiler Energien verdienen. Gelegentlich wird dieser Ansatz auch auf im Atombereich tätige Unternehmen erweitert. Was als Initiative einiger Universitäten und Stiftungen begann, hat heute deutlich an Momentum gewonnen. Zu den gern zitierten „Flaggschiffen“ der DivestmentBewegung zählen u. a. die Rockefeller Brothers Stiftung aus den USA und der Norwegische Pensionsfonds. Ende November 2015 hat auch die deutsche Allianz Versicherung angekündigt, sich von entsprechenden Anlagen zu trennen.
Die Beratungsgesellschaft Arabella Advisors legt regelmäßig Marktstudien zu diesem Thema vor, zuletzt im September 2015: Danach ist die Zahl der offiziellen Unterstützer der »DivestInvest« Kampagne auf knapp 2.500 gestiegen, darunter etwa 450 institutionelle Investoren. Das von den Unterstützern verwaltete Vermögen hat sich binnen Jahresfrist auf über 2,3 Bill. USDollar (rund 2,1 Bill. Euro) verfünfzigfacht.
Hinter der Entscheidung, die Wertpapiere fossiler Unternehmen zu verkaufen, können unterschiedliche Motive stehen. Einigen Investoren wird es darum gehen, ihre Investments in Einklang mit ihren Werten und Zielen bzw. denen ihrer Organisation zu bringen. Ein anderes Motiv ist, durch das Divestment ein Signal an Politik, Gesellschaft und Wirtschaft zu senden, sich stärker für den Klimaschutz einzusetzen. Divestoren kann es darüber hinaus darum gehen, die Finanzierungsmöglichkeiten für fossile Unternehmen zu beschränken und das Kapital im Gegenzug für Investitionen in zukunftsträchtige Anlagen, insbesondere erneuerbare Energien, vorzusehen.
Eine wichtige Rolle spielt schließlich der Schutz der eigenen Kapitalanlagen vor finanziellen Verlusten, wobei es enge Berührungspunkte mit der Diskussion um die sogenannte Carbon Bubble gibt. Unter dieser Überschrift wird eine vermeintliche Überbewertung der Vorräte an fossilen Energieträgern in den Bilanzen der Kohle, Öl und Gasunternehmen diskutiert. Ausgangspunkt dieses Ansatzes ist die Tatsache, dass nur noch eine begrenzte Menge von CO2 freigesetzt werden darf, um das zuletzt auf der Weltklimakonferenz in Paris bestätigte Ziel einer Begrenzung des weltweiten Temperaturanstiegs auf max. 2 °C erreichen zu können.
Die Organisation Carbon Tracker gibt diese Menge mit rund 565 Gt CO2 an. Die bestätigten Reserven umfassen derzeit aber umgerechnet etwa 2.795 Gt CO2. Insgesamt wären damit, so der Carbon BubbleAnsatz, 80 Prozent der weltweit verfügbaren Reserven an fossilen Rohstoffen praktisch wertlos. Dies führt insgesamt zu einer Überbewertung der Unternehmen sowie der Bonität der Öl und Gas fördernden Staaten, die zu einem Risiko für die Investoren werden kann, die Aktien, Unternehmens oder Staatsanleihen halten.
Trotz der Überzeugungskraft des Carbon-Bubble-Arguments gibt es aber auch Stimmen, die auf die Kosten und Risiken des Divestments verweisen. Angeführt werden hier zum einen die Kosten, die durch eine Umschichtung des Portfolios entstehen. Zum anderen wird auf die potenziellen Risiken verwiesen, die sich aus einer Verkleinerung des Anlageuniversums und damit einer Einschränkung der Möglichkeiten zur Diversifikation ergeben können. Das zweite Argument wird häufig angeführt, wenn es um die Rendite und das Risiko nachhaltiger Kapitalanlagen geht. Hier haben allerdings zahlreiche statistische Analysen nachgewiesen, dass sich eine Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien bei der Kapitalanlage nicht negativ auf Rendite und Risiko auswirkt. Es besteht vielmehr sogar die Möglichkeit auf ein »positives Alpha« gegenüber konventionellen Anlagen. Inwieweit sich die Anwendung von Ausschusskriterien auswirkt, muss allerdings noch umfassender untersucht werden. Erste Anhaltspunkte zur Beantwortung der Renditefrage beim Divestment liefert beispielsweise die Studie Carbon Efficiency: A Strategic Look von S&P Dow Jones Indices vom Oktober 2015. Ihr Kernergebnis: Gezielte Anlagen in kohlenstoffeffiziente Unternehmen sind kein Hemmnis für die Performance.
Neben ethischen und gesellschaftspolitischen Aspekten spielen gerade nach den Entscheidungen der Weltklimakonferenz in Paris ökonomische Gesichtspunkte bei einem Ausstieg aus fossilen Unternehmen eine zunehmend wichtigere Rolle. Jeder Investor muss selbst entscheiden, welche Konsequenzen er aus dem Klimawandel für sein Portfolio zieht und zu welchem Zeitpunkt er aktiv wird. Klar ist: Die Beschlüsse von Paris haben ein Platzen der Kohlenstoffblase wahrscheinlicher gemacht. Die Wertpapiere fossiler Unternehmen könnten für Investoren, die darauf keine strategische Antwort finden, im Depot zu einem »Schwarzer Peter« werden.