Um über eine Kreditvergabe oder Investitionen zu entscheiden, ist ein Financial Model eine wichtige Grundlage. Bei Projektfinanzierungen beispielsweise zeigen Cashflow-Modelle die wirtschaftliche Tragfähigkeit eines Projekts auf und helfen, das Risiko des Projekts abzuschätzen.
In vielen Unternehmen hat sich Microsoft Excel als das Standardtool etabliert, das für Modellrechnungen eingesetzt wird. Das ist Fluch und Segen gleichzeitig, da fast alle das Programm kennen, die wenigsten jedoch verstehen, was in der Kalkulation passiert. Das Fehlerpotenzial bei der Anwendung ist also relativ hoch. Um ein belastbares Financial Model zu entwickeln, braucht es einiges an Wissen und Erfahrung. Sachverhalte müssen so modelliert werden, dass alle wesentlichen Risikofaktoren des Projektes beachtet oder Kennzahlen entsprechend der zugrunde liegenden Verträge berechnet werden. Als Grundsatz für Modelle hat sich das KISS Prinzip bewährt. KISS steht für „Keep it Smart and Simple“. Das bedeutet: Übersichtliche Formeln verwenden, komplexe Berechnungen in mehreren Schritten lösen und die Formel-Logik in Form von Kommentaren dokumentieren. Denn es gilt: Je komplexer die Modelle werden, desto schwieriger wird es, Fehler zu erkennen.
Im Financial Model sollte eine klare Trennung zwischen dem Eingabebereich, einem Kalkulationsbereich und der gut aufbereiteten Darstellung der Ergebnisse bestehen. Grundsätzlich sollte der Detailgrad nur so hoch wie nötig sein, um belastbare Aussagen treffen zu können. Wichtige Bestandteile in der dynamischen Betrachtung sind neben der Erlös- und Kostensicht die Steuerberechnung, ein Ziehungsmechanismus für Fremdkapital oder Nachschussverpflichtungen der Eigenkapital-Geber in der Ausbauphase sowie oft komplexe Tilgungsmechanismen und Dividendenzahlungen in der Betriebsphase. Sind aber einmal alle Wirkungszusammenhänge entsprechend im Modell programmiert, können die Projektierer genau das tun, was sich Konzernlenker schon lange wünschen: In einer Art Cockpit verschiedene Szenarien definieren, um sich im nächsten Moment die Auswirkungen anzusehen.
Gute Modelle zeigen eine vollständige Kapitalflussrechnung auf, so dass neben dem Cashflow-Wasserfall (Liquidität) auch die GuV (Betriebsergebnis) und die Bilanz (Vermögen) über die gesamte Laufzeit modelliert sind. Werden alle drei Komponenten abgebildet, bietet dieses drei Vorteile. Erstens ist die korrekte Berechnung der Steueraufwendungen inkl. Abschreibungen und potentieller Verlustvorträge möglich. Zweitens liefert es dem Nutzer wichtige Informationen zu Entwicklung von Fremd- und Eigenkapital während der Projektlaufzeit und drittens bietet es ein hohes Maß an Sicherheit für den Programmierer. Eine über die Projektlaufzeit ausgeglichene Bilanz in einem dynamischen Modell ist ein sehr guter Indikator für ein korrekt rechnendes Financial Model.
Financial Modeling muss sich oft den Vorwurf gefallen lassen, dass die Ergebnisse scheingenau sind und am Ende des Tages sowieso „alles nicht so genau vorhersagbar ist“. Das ist nicht von der Hand zu weisen. Denn es ist ein Modell, das verschiedene Szenarien antizipiert und deren Auswirkungen berechnet und keine Glaskugel. Außerdem wird es für Projekte eingesetzt, die im Gegensatz zu einem Unternehmen eine stark reduzierte Komplexität aufweisen. Genau diese macht es erst möglich, sich dem Thema mit Hilfe des Financial Models zu nähern. Die wesentlichen Abhängigkeiten sind in der Regel relativ gut bekannt. Ziel ist es also diese Interdependenzen in ein dynamisches Modell zu integrieren, um so die Belastbarkeit des Projektes oder die Rentabilität zu analysieren. Das Interesse an ersterem ist sicherlich im Fokus der Fremdkapitalgeber, das letztere eher für die Eigenkapitalgeber interessant.
Wenn das Financial Model für den Anwender vorbereitet ist, ist er in der Lage die wesentlichen Risikotreiber zu analysieren, Schwachstellen zu erkennen und diese in der Projektstruktur zu beheben. Makroökonomische Risiken ergeben sich aus Zins- und Währungsrisiken oder dem Einfluss der wirtschaftlichen Entwicklung auf das Projekt. Was passiert, wenn die Nachfrage sich anders entwickelt als erwartet oder die Preise für die Rohstoffe plötzlich stark ansteigen? Projektspezifische Themen ergeben sich in der Regel aus Verträgen. Was passiert, wenn langfristige Lieferverträge auslaufen oder erfolgsabhängige Rückzahlungsmodalitäten sich ändern? Wie entwickelt sich also die Tilgung in verschiedenen Szenarien? Da natürlich die externen Einflüsse auf die internen wirken, sind immer auch Szenarien wichtig, die beides vereinen, um vermeintliche „Sollbruchstellen“ im Projekt zu identifizieren.
Der Bedarf an Financial Modeling ergibt sich von mehreren Seiten. Für Projektierer ist es zwingend erforderlich. Aber auch Eigenkapital- und Fremdkapitalgeber können bei der klassischen Projektfinanzierung fast nie auf ein Financial Model verzichten, um sich von der notwendigen Robustheit des Projektes zu überzeugen. So ergibt sich der Bedarf an Financial Modeling auch für Kreditanalysten oder in der Unternehmensbewertung in M&A Prozessen. An der Frankfurt School haben Sie die Möglichkeit, den Zertifikatsstudiengang Financial Modeling mit Excel zu belegen und lernen, das eigene Financial Model zu programmieren.