FRANKFURT SCHOOL

BLOG

Green Asset Ratio ante portas
Weiterbildung / 20. Mai 2022
  • Teilen

  • 101474

  • 0

  • Drucken
Professor für Finance & Accounting und Unternehmensberater
Dr. Johannes Hofinger ist Professor für Finance & Accounting an der Munich Business School zu den Themen Financial Management, Managerial Accounting und Bank Management. Zudem berät er Banken in den Bereichen Risikomanagement, Nachhaltigkeit und ESG, Offenlegung und Non-financial Reporting, Basel III, CRD/CRR. In der familieneigenen Forstwirtschaft im Alpenraum beschäftigt er sich nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch mit den Auswirkungen des Klimawandels und den Herausforderungen von nachhaltigem Wirtschaften für die kommenden Generationen.

Autorenprofil

Mehr Blog Posts
IT-Governance im Fokus: DORA - Schlüssel zu digitaler Sicherheit im Finanzsektor
Alles unter Kontrolle? KI und maschinelles Lernen in der Finanzbranche
Kollektive Künstliche Intelligenz: Federated-Learning in der modernen Prüfung

Es wird ernst. Ab Anfang 2024 sind der nachhaltigen Worte genug gewechselt und EU-Banken müssen anhand der Green Asset Ratio (GAR) mit konkreten Kennzahlen nachweisen, inwieweit ihr Geschäft bereits nachhaltigen Kriterien entspricht. Damit wird erstmals der Weg zur Klimaneutralität transparent und vergleichbar, und der aktuelle Status wird für einige Banken zu öffentlichem Lob, für andere zu Tadel führen.

„Nachhaltigkeitsinventur“ von Geschäftsmodellen leitet den eigentlichen Bedarf ein

Qualitativ berichten große, kapitalmarktorientierte EU-Unternehmen einschließlich Banken seit Jahren über die Nachhaltigkeit ihrer Geschäftsaktivitäten im Rahmen der nichtfinanziellen Berichterstattung gemäß der NFRD[1]. Weniger freundliche Kommentare meinen, dass diese häufig sehr umfangreichen Berichte gute Marketingunterlagen ergäben und daher recht zahnlos seien. Mit gutem Willen kann man aber erkennen, dass diese Berichte in den letzten Jahren zu einer Art Nachhaltigkeitsinventur der Geschäftsmodelle geführt haben, und das Thema dadurch in die Gänge gebracht wurde.

Die Frage, welche Geschäftsaktivitäten als nachhaltig gelten und welche Ziele damit erreicht werden sollen, lastete lange auf den Nachhaltigkeitsbestrebungen und deren Qualität der Unternehmen. Mit der EU-Taxonomie-Verordnung[2] wurde 2020 ein Rechtsrahmen verabschiedet, der zwar sehr technisch orientiert ist, aber grundsätzliche Antworten auf diese Frage gibt. Zumindest großteils, da bisher hauptsächlich die Themenfelder Klimaschutz und Klimawandel berücksichtigt werden. Die Bestimmungen für die übrigen Umweltziele sollen im Laufe des Jahres 2022 nachgereicht werden. Auch sei nicht verschwiegen, dass gerade die Themen Nuklearenergie und Erdgas als Brückentechnologien zu starken politischen Auseinandersetzungen führen.

Green Asset Ratio als bestimmende Kennzahl für Nachhaltigkeit in Banken

Art. 8 der EU-Taxonomie-Verordnung verlangt von den großen, kapitalmarktorientierten Firmen in der EU die Offenlegung von quantitativen Informationen (KPI – Key Perfomance Indicators) zur Bestimmung der Nachhaltigkeit ihrer Geschäftsaktivitäten. Nicht-Finanzunternehmen messen diesen Anteil anhand der nachhaltig erwirtschafteten Umsatzerlöse sowie der nachhaltigen Investitionsausgaben (CapEx) und, soweit zutreffend, Betriebsausgaben (OpEx). Für Finanzinstitute wurde die GAR als die aussagekräftigere Kennzahl bestimmt[3]. Diese Kennzahl setzt das nachhaltig finanzierte Geschäftsvolumen und die nachhaltigen Investitionen in Beziehung zum Gesamtgeschäftsvolumen. Aus den Implementing Technical Standards (ITS) zur Offenlegung von ESG Risiken gemäß Art. 449a CRR vom 24.2.2022[4] ergeben sich weitere, umfangreichere Offenlegungsanforderungen. Hierdurch sollen die der GAR zugrundeliegenden Geschäfte und Annahmen, wie beispielsweise Aufgliederung nach physischen Risiken/Transitionsrisiken oder Aufschlüsselungen nach Sektoren, Zeitbändern und Scope 3 Emissionen, transparent gemacht werden.

Taxonomiefähigkeit, Taxonomiekonformität und GAR als Herausforderung für Banken

Warum aber wird es nun „ernst“? Zweifelsohne ist schon die Analyse der Geschäftstätigkeit auf Taxonomiefähigkeit („taxonomy-eligible“) und in der Folge auf Taxonomiekonformität („taxonomy-aligned“) eine Herausforderung für Banken. Aber dies darf nicht den Blick „auf die Zeit danach“ verstellen, auf die Konsequenzen, welche die Veröffentlichung der GAR in den Finanzmärkten haben kann. Nicht jede GAR wird zur Zufriedenheit aller Stakeholder (einschließlich Gesellschaft und politischer/gesellschaftlicher Interessensvertretungen) ausfallen. Eine kritische Auseinandersetzung innerhalb und außerhalb des Unternehmens ist erwartbar. Die Konsequenzen können weitreichend sein. Diese betreffen nicht nur die derzeit weit verbreitete „Empörungskultur“, sondern auch Reputationsschäden mit Auswirkung auf Aktienkurse und Geschäftsbeziehungen, sowie Haftungsfragen für „umweltschädigendes“ Geschäftsgebaren auf Unternehmens- und Managementebene.

Wie sollte nun auf die Herausforderungen der GAR reagiert werden? Auch wenn die Erstveröffentlichung der GAR erst mit Jahresbeginn 2024 für das Geschäftsjahr 2023 ansteht, so ist es bereits jetzt wichtig, sich frühzeitig mit der erwarteten Ausprägung dieser Kennzahl und deren Auswirkungen zu beschäftigen.

Vorteile für Banken mit taxonomierelevanten Informationen bei der GAR-Berechnung

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt steht in den Banken noch die Datensammlung und -verarbeitung für die Berechnung der GAR-Kennzahl im Vordergrund. Am Markt finden sich mehrere IT-Tools, welche die Anwendung der EU-Taxonomie auf die Geschäftstätigkeit unterstützen. In der Praxis können Banken bisher nur einen Bruchteil ihrer Bilanzaktiva gemäß der EU-Taxonomie einordnen. So genannte taxonomiefähige wirtschaftliche Aktivitäten müssen grundsätzlich unter den Geltungsbereich der Taxonomie fallen, gleichzeitig müssen die Institute die erforderlichen Daten zur Bewertung der wirtschaftlichen Aktivitäten ihrer Kunden erhalten haben. Prinzipiell zielt die Taxonomie auf große, kapitalmarktorientierte Unternehmen ab, die taxonomierelevante Informationen schon bereitstellen können. Banken mit einer entsprechenden Fokussierung auf solche Kunden dürften daher bei der Berechnung der GAR Vorteile haben – im Vergleich zu Instituten, die primär Mittelstands- und Privatkundenfinanzierungen anbieten.

Nach der Datenaufbereitung sollten unmittelbar GAR-Proberechnungen durchgeführt werden, um einen ersten Eindruck über die zu erwartende Höhe der Kennzahl zu erhalten.  Diese Indikation ist für die weitere Kalibrierung sehr wichtig, da sie die Richtung für weitere Managemententscheidungen vorgibt. Bankenverbänden kommt hier die Aufgabe zu, sektorinterne Vergleiche zu ermöglichen, damit einzelne Banken bereits vor den Veröffentlichungsterminen ihre Position im Bankenranking erkennen und reagieren können. Nicht umsonst wird im Juni 2021 veröffentlichten Bericht der EBA[5] an zahlreichen Stellen darauf hingewiesen, dass ein umfassendes Training in ESG-Fragen für alle Bankmitarbeiter/innen von der Bankenaufsicht dringend empfohlen wird.

Es ist zu erwarten, dass die Veröffentlichung der GAR eine größere Breitenwirkung als Solvabilität- und Liquiditätskennzahl zusammen entfalten wird. Es ist mehr als geboten, sich als Bank rechtzeitig, also noch im Jahr 2022, eine passende Strategie zurechtzulegen, sowohl was die Bestrebungen zu nachhaltigen Geschäftsaktivitäten als auch die Reaktion auf etwaige Reputations- und Haftungsfragen betrifft.

Dr. Patrik Buchmüller ist CO-Author des Blogbeitrags und Dozent des Zertifikatsstudiengangs Risikomanager Non Financial Risks an der Frankfurt School. Dr. Buchmüller war als Mitarbeiter der BaFin zuständig für die Umsetzung der Basel II Vorgaben zum operationellen Risiko (OpRisk) in das nationale Aufsichtsrecht und Mitglied der OpRisk-Gruppe des Baseler Ausschusses. Er besitzt langjährige Erfahrungen als Risikomanager im öffentlichen und privaten Bankensektor. Als selbständiger Unternehmensberater beschäftigt er sich aktuell unter anderem mit Umsetzungsfragen zu MaRisk und BAIT. Herr Buchmüller ist Lehrbeauftragter an der FH Worms und Uni Leipzig sowie Autor zahlreicher Fachpublikationen im Bereich Bankaufsichtsrecht (u.a. Kommentierungen zu einschlägigen Vorgaben in KWG, SAG und CRR).

Referenzen:

[1] NFRD Non-Financial Reporting Directive (Directive 2014/95/EU)

[2] EU-Taxonomie Verordnung (Verordnung (EU) 2020/852)

[3] Delegierter Rechtsakt vom 6.7.2021 zur Ergänzung von Art. 8 Taxonomie-VO („Disclosures Delegated Act“)

[4] EBA/ITS/2022/01. ITS steht für Implementing Technical Standard, d.h. ein technischer Durchführungsstandard zur Präzisierung einer EU-Verordnung oder EU-Richtlinie.

[5] EBA Report on the Management and Supervision of ESG Risks for Credit Institutions and Investment Firms vom 23. Juni 2021. EBA/REP/2021/18. Siehe beispielsweise Rz 202, 214, 216 oder 226.

0 Kommentare

Senden