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Nachhaltigkeit steuern – wie die Transformation gelingt
Weiterbildung / 21. April 2023
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Prof. Dr. Bernd Wallraff ist Professor für Betriebswirtschaftslehre / Wirtschaftspsychologie an der CBS International Business School und Dozent an der FS. Sein Schwerpunkt liegt im Bereich "Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz auf Führung". Er berät zu Themen der Innovationskultur und digitalen Führung und begleitet Strategie- und Veränderungsprozesse.

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2017 hat die Menschheit erstmals mehr als 100 Milliarden Tonnen Rohstoffe binnen eines Jahres verbraucht. Es ist mehr als unwahrscheinlich, dass diese Entwicklung so ungebremst weiter gehen kann. Wir erleben ein neues Zeitalter der Knappheit, das über die aktuellen Krisen wie Corona, den Konflikt in der Ukraine und die von Russland herbeigeführte Gasknappheit hinausgeht.

Dabei werden drei große Trends die Rahmenbedingungen von Unternehmen immer stärker bestimmen: Klimawandel, Demografischer Wandel und Globalisierung. Wie in unserer früheren Normalität einer Überflussökonomie werden wir wohl nicht weitermachen können.

Der Begriff Nachhaltigkeit und damit auch die nachhaltige Unternehmensführung wird in diesem Zusammenhang wichtiger denn je. Ressourcenunabhängigkeit und Zukunftssicherung durch Nachhaltigkeit sind Schlüsselthemen für alle Unternehmen in den nächsten Jahren. Dabei sehen sich Unternehmen mit einem umweltsensibleren Umfeld in Politik und Gesellschaft konfrontiert. Dies sind nicht nur Modetrends, sondern das neue Nachhaltigkeitsbewusstsein schlägt sich in der Gesetzgebung nieder und wird damit für die Unternehmen verbindlich. So bilden die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (UN), die Sustainable Development Goals, einen Fahrplan für die deutsche Umweltpolitik.

Notwendigkeit von Nachhaltigkeit nimmt zu

Im Rahmen des European Green Deal gelten zudem seit dem 01. Januar 2023 zwei wichtige Gesetze oder Verordnungen für die Unternehmen. Zum einen das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, welches Unternehmen verpflichtet, bei ihren weltweiten Lieferketten darauf zu achten, dass auch die eigenen Zulieferer in Kinderarbeit oder Umweltverletzungen verstrickt sind.

Das zweite ist die neue EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitspflichtberichterstattung, die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Sie verpflichtet Unternehmen das eigene Verhalten in Bezug auf Nachhaltigkeit auch transparent zu dokumentieren.

Neben diesen neuen Gesetzgebungen und der Frage der Ressourcen-Knappheit spielen auch weitere Faktoren bei der Notwendigkeit von Nachhaltigkeit für Unternehmen ein wichtige Rolle. Hier ist die Akzeptanz bei den Stakeholdern zu nennen. Weder Kunden noch die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wollen umweltschädliches Verhalten von Unternehmen noch akzeptieren. Auch große Investoren, wie beispielsweise Blackrock, überarbeiten ihre Investitionsrichtlinien in Richtung Nachhaltigkeit.

Zudem ändern aufgrund des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz auch viele Großunternehmen ihre Einkaufsbedingungen. Nur noch Lieferanten, die im Einkaufssystem der Großunternehmen als nachhaltig bewertet werden, dürfen an Ausschreibungen teilnehmen und werden in den Lieferantenstamm aufgenommen.

Nachhaltigkeit ist für Unternehmen also nicht mehr nur eine Option, sondern eine gesetzlich festgeschriebene Verpflichtung, die gesellschaftlich von allen Stakeholder-Gruppen eingefordert wird.

Was müssen Führungskräfte jetzt tun, um die richtigen Weichen in Bezug auf Nachhaltigkeit zu stellen?

Nachhaltigkeit ist eine Querschnittsaufgabe, die alle Bereiche betrifft. Trotzdem ist es wichtig, klare Verantwortliche zu haben, die die Transformation zu einem nachhaltigen Unternehmen vorantreiben. Nach einer aktuellen Studie (Tobias, Deeg 2023) liegt diese Verantwortung bei 57 % der befragten Unternehmen in der EU beim CEO, in Frankreich, Italien und Spanien überwiegend beim CFO, eine separate Nachhaltigkeitsabteilung haben dabei die wenigsten Unternehmen. Die zuständigen Personen müssen dafür Sorge tragen, dass einzelne Nachhaltigkeitsinitiativen im Unternehmen nicht verpuffen, also nach der Anlaufphase schnell wieder in Vergessenheit geraten. Das Stichwort an dieser Stelle ist Corporate Sustainability Controlling. Dies beinhaltet die Messung, Steuerung und Berichterstattung der Nachhaltigkeitsleistung einer Organisation. Es hilft Organisationen, ihre Nachhaltigkeitsinitiativen und Fortschritte beim Erreichen ihrer Nachhaltigkeitsziele zu verfolgen und zu bewerten.

Das Nachhaltigkeitscontrolling umfasst u.a. die Erhebung und Analyse von Daten zu verschiedenen Nachhaltigkeitskennzahlen wie Energieverbrauch, CO2-Emissionen, Abfallaufkommen und soziale Auswirkungen. Diese Daten werden verwendet, um Bereiche zu identifizieren, in denen die Organisation ihre Nachhaltigkeitsleistung verbessern und Korrekturmaßnahmen implementieren kann.

Nachhaltigkeitscontrolling: Erfolgreiche Unternehmensführung

Der erste Schritt im Nachhaltigkeitscontrolling besteht darin, die Nachhaltigkeitsziele der Organisation zu definieren. Sobald die Ziele festgelegt sind, kann die Organisation ein Nachhaltigkeitscontrollingsystem entwickeln, das sich an den Zielen und Vorgaben ausrichtet.

Im nächsten Schritt werden Daten zu Nachhaltigkeitsindikatoren erhoben. Dies kann durch verschiedene Methoden erfolgen, einschließlich automatisierter Systeme, manueller Dateneingabe und Audits durch Dritte. Die Daten sollten regelmäßig überwacht und aktualisiert werden, um sicherzustellen, dass die Organisation über genaue und aktuelle Informationen über ihre Nachhaltigkeitsleistung verfügt.

Sobald die Daten gesammelt sind, werden sie analysiert, um Bereiche zu identifizieren, in denen die Organisation ihre Nachhaltigkeitsleistung verbessern kann. Basierend auf der Analyse kann die Organisation ihre Nachhaltigkeitsstrategien weiterentwickeln und umsetzen, um ihre Leistung zu verbessern. Dies kann die Festlegung neuer Nachhaltigkeitsziele, die Entwicklung von Nachhaltigkeitsinitiativen und die Zuweisung von Ressourcen zur Unterstützung von Nachhaltigkeitsbemühungen beinhalten.

Da diese Transformation große Veränderungen in der Struktur und Unternehmenskultur des Unternehmens mit sich bringt, ist bei der Umsetzung mit Widerständen zu rechnen. Es ist daher wichtig diesen Prozess in eine dauerhaft angelegte Organisationsentwicklung einzubinden und professionell begleiten zu lassen. Bei konsequenter Umsetzung stellt Nachhaltigkeit nicht nur eine Verpflichtung, sondern auch eine große Chance dar, als Unternehmen dauerhaft ökologisch und sozial verantwortlich zu handeln und gleichzeitig wirtschaftlich tragfähig zu bleiben.

Quelle: Tobias, Stefan; Deeg, Matthias 2023: Status quo der Nachhaltigkeitstransformation. Horváth.

 

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