Es begann Anfang 1991: In der Printausgabe von „Die Bank“ – der Monatszeitschrift, die jeder überambitionierte Azubi abonniert hatte – warb eine Anzeige für eine damals völlig neue Form der akademischen Ausbildung an der Hochschule für Bankwirtschaft (HfB). Eine private Einrichtung, gebührenpflichtig, ohne Akkreditierung, ohne Absolventen. Dafür brauchte es lediglich eine schriftliche Bewerbung, ein Assessment-Center und die anschließende Jobsuche. So nahm das Abenteuer seinen Lauf.
An der HfB erlebte ich dann vieles zum ersten Mal: ein Exot am Arbeitsplatz (als Teilzeitkraft und acht Jahre jünger als der nächste Junior), Vorlesungen auf Englisch, die Organisation eines Seminars über das gerade geöffnete Osteuropa, das Abholen des polnischen Finanzministers in einem winzigen Peugeot vom Flughafen, der erste Studierendenrat, das erste Auslandssemester, das Schreiben meiner Diplomarbeit in Mexiko während der Peso-Krise – aus dieser Fülle scheinbar unverbundener Erlebnisse entstand ein klarer Kompass für meine zukünftige Karriere.
Chancen gibt es zuhauf, besonders außerhalb der vordefinierten, hochgelobten Fast-Track-Karriereprogramme. Direkt nach dem Abschluss gründeten wir den Alumni-Verein, der sich beachtlich entwickelte. Die berufliche Reise nahm Fahrt auf: Wechsel ins Treasury, wo sich Professor Heidorns „Bankbetriebslehre“ am besten anwenden ließ; Übertragung der Konzepte auf die Banktochter in Madrid, tagsüber die Peseta managen und sie nachts wieder unter die Leute bringen. Rückkehr nach Frankfurt für zwei Jahre freiwilliger „Sklaverei“ als Vorstandsassistent, bevor es schließlich in die Stadt meiner Träume ging, die seit 2001 meine Heimat ist: New York.
Um die nächste Phase meiner Karriere zu verstehen, schauen Sie sich „The Big Short“ an – verrückt und real zugleich. Angetrieben von dem Wunsch, meinen Verstand zu bewahren und meinen altruistischen Idealen treu zu bleiben, rief ich in Bolivien ein Programm ins Leben, das seit nunmehr 20 Jahren jährlich bis zu 3.000 Kinder und ihre Familien mit Bildung, Gesundheitsversorgung und Gemeindeentwicklung unterstützt. Was ich dabei gelernt habe: Veränderung braucht Zeit und erfordert weit mehr als nur Geld. Zudem erschloss ich mir mit Beratungstätigkeiten im Bereich Impact Finance ein zweites berufliches Standbein. Als mein regulärer Bankjob 2013 endete, nahm dieser Sektor mich voll und ganz gefangen, mit Engagements bei über 120 Institutionen in mehr als 60 Ländern, einschließlich Positionen als Vorstandsvorsitzender in Kirgisistan und Nigeria.
Die Erfahrungen aus dieser Arbeit veranlassten mich, die so wunderbar klingende Welt des Impact Finance einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Der Feind des „Guten“ sind „gute Absichten“, und die Umsetzung wird häufig durch systemische Schwachstellen und falsche Anreize behindert. Und das führte zu meiner aktuellen Tätigkeit: Ich leite heute ein Unternehmen mit Sitz in Ruanda, Indien und New York. Mit unseren Technologien und Lösungen unterstützen wir Banken in Entwicklungsländern dabei, ihr Risikomanagement und die Kreditvergabe an KMU grundlegend zu verbessern. Damit Veränderung wirklich Früchte trägt, muss der Impuls von innen kommen. Aus diesem Grund ist ein tiefes kulturelles Verständnis unserer Märkte für uns entscheidend.
Blog-Artikel sollen ja unterhaltsam und nützlich sein. Daher möchte ich drei zentrale Erkenntnisse aus meinem bisherigen Werdegang an Sie weitergeben:
Eine solide Ausbildung ist durch nichts zu ersetzen. Verstehen Sie die Grundlagen Ihres Berufs. Entwickeln Sie eine Leidenschaft für fundiertes Fachwissen, mit dem Sie dann neue Informationen bewerten, verstehen und einordnen können. An der Frankfurt School geht es dabei für Sie natürlich primär um Finanzen. Machen Sie sich mit Konzepten wie erwarteten und unerwarteten Verlusten, risikoadjustierten Renditen und Fremd- und Eigenkapitalinvestitionen vertraut. Lernen Sie zudem den Unterschied zwischen Risikobereitschaft und Glücksspiel. Seien Sie sattelfest im Umgang mit Tabellenkalkulationen und Daten; bleiben Sie bei den Entwicklungen im Bereich KI am Ball. So sind Sie besser gerüstet, um die nächste Blase zu durchschauen, die Blender zu entlarven und zu erkennen, was in unserem Geschäft wirklich Hand und Fuß hat. Neue Entwicklungen, egal wie umwälzend sie auch erscheinen mögen, entstehen immer an der Basis durch fähige Köpfe.
Nach der Ausbildung zählt vor allem die Erfahrung. Erfahrung kommt mit der Zeit. Am Anfang Ihrer Karriere ist es daher umso wichtiger, von anderen zu lernen. Deshalb sollte die Aussicht, von guten Mentoren und Coaches profitieren zu können, bei der Entscheidung für eine neue Stelle eine Schlüsselrolle spielen. Meine Zeit als Assistent hat meinen Blick für Qualität, Perfektion, strategische Entscheidungen und politische Zusammenhänge geschärft. Nutzen Sie jede Gelegenheit, um so viel wie möglich zu lernen und zu beobachten. Suchen Sie auch im weiteren Verlauf Ihrer Karriere nach Teams, in denen Sie wachsen können – als Mensch und als Experte. Scheuen Sie sich nicht vor kreativen Auseinandersetzungen. Denken Sie wie ein Sportler in Ihrem Job. Auch die größten Stars haben Coaches und hören nie auf zu trainieren.
Mit dem richtigen Werkzeug und Erfahrung im Gepäck ist es Zeit, etwas Neues zu wagen. Das Leben beginnt außerhalb der Komfortzone – klingt abgedroschen, stimmt aber: Wer immer nur in fremde Fußstapfen tritt, hinterlässt keine eigenen. Das ist es, was mich antreibt. Sich in neuen Themen und Ländern im Geschäftsleben zurechtzufinden, kann eine echte Lektion in Bescheidenheit sein. Als Fremder im Team ist man der Underdog. Sich seiner Sache nicht zu sicher zu sein, kann einen dann tatsächlich effektiver machen. Die Erkenntnisse und Erfahrungen sind unbezahlbar. Der Respekt, den Sie sich erarbeiten, ist echt, und die gesammelten Erfahrungen werden Ihre Karriere bereichern.
Bleiben Sie bescheiden, bleiben Sie am Ball und bleiben Sie offen für Neues. Das ist zumindest mein persönliches Erfolgsrezept!