FRANKFURT SCHOOL

BLOG

Wie sollte das Controlling auf die hohe Inflationsrate reagieren?
Weiterbildung / 13. März 2023
  • Teilen

  • 2956

  • 0

  • Drucken
Professor für Management Practice & Control
Seit August 2020 ist Ronald Gleich Professor for Management Practice and Control an der Frankfurt School. Seine Forschung konzentriert sich auf aktuelle sowie praktisch relevante Fragestellungen des Controllings, des Innovationsmanagements und des Performance Measurements.

Autorenprofil

Mehr Blog Posts
The Future of AI in Finance: 4 Key Trends to Watch
IT-Governance im Fokus: DORA - Schlüssel zu digitaler Sicherheit im Finanzsektor
Alles unter Kontrolle? KI und maschinelles Lernen in der Finanzbranche

Wie sehen die aktuellen Inflationserwartungen für die Industrie aus? Mit welchen Tools und Vorgehensweisen kann das Controlling und Management auf hohe Inflationsraten reagieren? Was ist bezüglich der Planung, Budgetierung und Forecasting  zu beachten?

Hohe Preissteigerungstaten prägen wohl die nächsten Monate und Jahre

Eine Vielzahl neuer Realitäten beschäftigt aktuell Manager:innen und Controller:innen. Sie müssen in einer durch die Corona-Pandemie verursachten Dauerkrise agieren, die seit einem Jahr auch noch von einem anhaltenden Krieg in der Ukraine überschattet wird. Wir alle kennen in der täglichen Arbeit die herausfordernden Auswirkungen auf die Arbeitswelten und die Lieferketten, auf die ich hier gar nicht weiter eingehen möchte.

Viel mehr beschäftigt mich seit Monaten ein Phänomen, welches wir in Deutschland kaum mehr kannten hohe Inflationsraten! Junge Controller:innen mussten sich die letzten 30 Jahre nur wenig mit inflationären Entwicklungen beschäftigen. Zu Eurozeiten hat sich die Inflationsrate bei ungefähr 1,4 % im Jahresdurchschnitt eingependelt, war also kaum existent. Nun bewegten wir uns im Jahr 2022 bei 7,9%. Die Prognosen für 2023 deuten darauf hin, dass wohl eine 8 vor dem Komma stehen wird. Inflationshöhen, die wir letztmals in ähnlicher Dimension kurz nach der deutschen Wiedervereinigung hatten.

Hier sprechen wir, das sollten wir nicht vergessen, über den Durchschnitt eines festgelegten Warenkorbs. Branchen- oder produktspezifisch kann dies ganz anders aussehen und die Werte können noch höher sein. Denken wir nur an die Energiepreisentwicklung, die für viele Industrien ganz besonders wichtig ist, oder an Engpassprodukte für viele produzierende Industrien wie Sensoren oder Halbleiter, über die in den letzten Monaten sehr viel berichtet wurde. Alleine die Energiepreise sind deutlich zweistellig im letzten Jahr gestiegen, Gas z.B. um 50%.

Maßnahmen des Controllings zur Inflationsvorsorge und zum Inflationsmanagement

Wie nun dieser Herausforderung betriebswirtschaftlich begegnen? Die Realität ist, dass das Thema Inflation aus den Fachbüchern in Deutschland fast verschwunden ist. Dennoch lassen sich einige Tipps und Empfehlungen in der Literatur finden. Eine wertvolle Orientierung gab zum Beispiel vor 6 Jahren der Arbeitskreis „Steuern und Revision“ im Bund der Wirtschaftsakademiker. Nach Ansicht der Experten braucht es im Controlling eine Sensibilität für dieses Thema. Diese beginnt damit, die Marktpreisentwicklungen vielleicht noch etwas intensiver zu beobachten und das Inflationsrisiko in das Risikomanagement zu integrieren.

Ferner kann für bestehende Vermögenspositionen eine ganze Reihe von Instrumenten herangezogen werden, um der Inflation entgegenzuwirken oder mit dieser besser umzugehen. So etwa:

  • die Nutzung bzw. Etablierung von Wertsicherungsklauseln,
  • Warenterminkontrakte,
  • Rohstoff- oder Finanz-Hedging,
  • straffere Forderungspolitik oder
  • die Strategie Zahlungsausgänge möglichst lange verzögern bzw. in die Zukunft zu schieben.

Ein weiterer Tipp ist bei hoher Inflation bzw. erwarteten Preissteigerungen z.B. notwendige Maschineninvestitionen vorzuziehen. Dies betrifft insbesondere Ersatz- und Rationalisierungsinvestitionen. Auch ein Vorratsaufbau kann bei absehbaren Preissteigerungen sinnvoll sein, speziell wenn die möglichen Preissteigerungen deutlich höher sind als die möglichen Finanzierungskosten, was bei den aktuellen Zinskonditionen noch plausibel erscheint.

Man sollte, so meine Empfehlung, auch die Ausschüttung der Gewinnanteile, welche durch Preiserhöhungen auf dem Absatzmarkt entstehen (man spricht auch von „Scheingewinnen“), vermeiden. Diese sollten stattdessen zur Wiederbeschaffung der i. d. R. auch teureren Materialien verwendet werden. Sonst verliert das Unternehmen an Leistungsfähigkeit.

Empfehlungen für die Planung und das Forecasting

All die oben genannten Empfehlungen könnten in die Planung und Budgetierung sowie in das regelmäßige Forecasting einfließen. Eine erste Vorgabe aus dem Controlling wäre es mit einer realen, d. h. inflationsbereinigten Zielprofitabilität zu arbeiten. Wenn im Unternehmen eine nominelle Profitabilität von 4 % bei einer Inflationsrate von 5 % vorliegt, dann ist die adjustierte Profitabilität negativ und das Unternehmen vernichtet Wert. Dem ist planerisch vorzubeugen, einige mögliche Maßnahmen sind oben skizziert.

Controller:innen sollten sich demzufolge intensiv mit produktspezifischen Preisentwicklungen beschäftigen. Speziell bei Energiepreisen oder Mangelware ist dies ratsam. Ferner sollten auch Frühwarnindikatoren, sofern vorhanden, genutzt werden. Dafür bieten sich bzgl. allgemeiner Preiserwartungen für die Zukunft eine Kennzahl aus dem Bereich der derivaten Finanzprodukte an: Die sogenannten „Forward Inflation Swaps“ als makroökonomische Indikatoren, welche die langfristigen Inflationserwartungen abbilden. Hierbei geht es um die Inflationserwartungen beginnend in 5 Jahren für einen dann auch fünfjährigen Zeitraum. Aktuell liegt dieser Wert im langjährigen Vergleich vergleichsweise hoch bei ca. 2,3 %. Dieser Wert entspricht auch in etwa der Erwartung der EZB für die Durchschnittsinflationsrate der kommenden Jahre und stimmt ebenfalls mit den Prognosen vieler Experten für die nächsten Jahre überein, die 2 + x % nach dem Ende der oben beschriebenen Sondereffekte erwarten. Für 2025 werden aktuell 2,3% prognostiziert.

Stand heute wird die „Hochinflation“ also ein temporäreres Thema sein, doch werden wir in Deutschland einen Preistreiber haben, den wir nicht so einfach durch exzellentes Controlling managen können: zu wenig qualifizierte Arbeitskräfte und einen „Preiskampf“ um die Mitarbeiter:innen. Eine berufliche Weiterbildung ist und bleibt ein wichtiges Tool um Talente zu halten und Controller:innen auf aktuelle Marktherausforderungen vorzubereiten.

Der Beitrag ist eine aktualisierte Version von : Gleich, R. (2022), Wie sollte das Controlling auf hohe Inflationsraten reagieren?, in: Controller Magazin 47 (2022) 4, S. 48-49

0 Kommentare

Senden