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COVID-19: Zwei Welten in einem Krisenmanagement
Weiterbildung / 27. März 2020
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Senior Programm Manager Executive Education
Thomas Kohrs leitet den Bereich Asset & Wealth Management der Executive Education an der Frankfurt School. Er ist ausgebildeter Diplom-Bankbetriebswirt, der Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt in den Gebieten Wertpapier und Vertrieb. Er verfügt seit mehr als 25 Jahren über praktische Erfahrung als Berater, Trainer und Dozent an der Frankfurt School.

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Ich bin Kaufmann. Und ich bin Reserveoffizier der Bundeswehr. Das sind zwei sehr unterschiedliche Welten. Aus kaufmännischer Sicht konnte ich mir nach der Lehman Pleite 2008 und der Finanzkrise nahezu jedes Szenario vorstellen. Und nach dem Anschlag von Charlie Hebdo im Jahr 2015 konnte ich mir im Rahmen von Katastrophen, Unglücksfällen oder Attentaten viel vorstellen. Das beinhaltet meine Aufgabe als Verbindungsoffizier beim „Bund“, bei der ich im Rahmen des Katastrophenschutzes die Verbindung halte zwischen zivilen Behörden, Blaulichteinheiten (Polizei, Feuerwehr, THW, DRK etc.) und Bundeswehr. In den letzten Jahren gab es Übungen zu Hochwasser, Waldbrand, Stromausfall. Pandemie war immer mal ein Thema, aber eigentlich nur am Rand. Aber das, was wir jetzt haben? So schnell und so umfassend? Mit einem fast totalen wirtschaftlichen Shutdown. Das hatte in der Art eigentlich kaum jemand auf dem Schirm. Umso wichtiger ist es, sich jetzt mit einem Krisenmanagement zu beschäftigen.

Wirtschaftliche Folgen sind riesig

Das BIP in Deutschland betrug im Jahr 2018 rund 3,5 Billionen Euro. Pro Tag also im Schnitt 9,5 Milliarden Euro. Ein Großteil davon wird derzeit nicht erwirtschaftet, es ist gleich null. Wenn nichts mehr konsumiert, nichts mehr produziert werden kann, dann reduziert sich die wirtschaftliche Leistung auf ein Minimum. Viele Unternehmen verdienen zwar weiterhin Geld und Arbeitnehmer bekommen – vorerst – ihr Gehalt. Aber es liegt auf der Hand, dass das BIP in diesen Tagen sehr viel kleiner ausfallen dürfte. Das ist der wirtschaftliche Preis, den wir jetzt schon zu zahlen haben, wenn auch in unterschiedlicher Intensität: Einzelselbstständige sofort und unmittelbar, Beamte deutlich weniger. Ob sich die weitgehende Stilllegung des wirtschaftlichen und öffentlichen Lebens lohnt, zeigt sich frühestens Ende April.

Krisenmanagement par excellence

Aber Krisenmanagement ist nun wirklich alternativlos. In Italien und Spanien waren die Maßnahmen zu Beginn vielleicht etwas zögerlich und nun muss hier beides akzeptiert werden. Wirtschaftlicher Stillstand in nahezu allen Bereichen und furchtbare Bilder aus Krankenhäusern und Kolonnen von Militärfahrzeugen mit Särgen. Hier verbinden sich meine beiden Welten in trauriger Art und Weise in einer Schnittstelle.

Krisenmanagement bedeutet in einer solchen Situation eine klare Führung und Entschlusskraft unter Zeitdruck. In unserer Demokratie bedeutet das in normalen Zeiten auch Rücksichtnahme auf Partikularinteressen mit langen Diskussionen und Diskurs und Kompromissbereitschaft bei Abwägung diverser Möglichkeiten. Für all das benötigt man Zeit, die man in einer Krise nicht hat.

In der Bundeswehrwelt, die gemeinhin als autoritär und wenig demokratisch gilt, werden gegebene Befehle befolgt, so lange sie dienstlich erforderlich sind und keine Gesetze verletzen. So undemokratisch ist das nicht, denn ein Befehl muss genau diese Bedingungen erfüllen. In meiner zivilen Welt muss ich zurzeit als Bürger zur Kenntnis nehmen, dass es Anordnungen gibt, die sehr weit über Befehle in der Bundeswehr hinausgehen. Es werden Grundrechte verletzt und Rechte Einzelner eingeschränkt. Und wir müssen aufpassen, dass das nicht dauerhaft so bleibt.

Krisenmanagement: Entscheidungsprozess ohne Anspruch auf Richtigkeit

Krisenmanagement setzt dabei bestimmte Dinge voraus: Zunächst eine klare, möglichst umfassende Analyse der Lage in Bezug auf interne und externe Faktoren. Darauf beruht die Ausarbeitung der zur Verfügung stehenden Handlungsalternativen, die dann unter Abwägung der Vor- und Nachteile zu entscheiden und umzusetzen sind. Die als Ergebnis dieses Prozesses umgesetzte Entscheidung erhebt auch keinen Anspruch auf Richtigkeit. Es kann durchaus sein, dass man rückwirkend unter Abwägung der Folgen und Ereignisse eine andere Entscheidung getroffen hätte. Aber die Zeit, die man aus „historischer Sicht“ für die Beurteilung und Abwägung hat, steht eben in der Krise nicht zur Verfügung. Auch setzt Krisenmanagement einen kühlen, analytischen und vorbildhaften Kopf voraus. Im besten Fall findet ein Krisenmanager den richtigen Handlungsmodus, um ein Team, eine Organisation, einen Staat zu führen. Vor allen Dingen führt der Krisenmanager aber zunächst sich selbst und mit Fortune hat er am Ende Erfolg.

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