Ich lasse mich gerne beraten und Werbung spricht mich durchaus an – wenn sie gut gemacht ist. Weder in meiner Berufslaufbahn in der Anlageberatung noch jetzt habe ich den Anspruch, alles zu wissen. Ich halte es lieber mit Sokrates und seiner Bekundung: „Ich weiß, dass ich nichts weiß“.
Es vergeht kaum ein Tag, an dem ich nicht neue Erfahrungen mache, neue Menschen kennenlerne oder etwas dazu lerne. Das macht das Leben aus. Zum Leben gehören aber auch Bereiche und Themen, bei denen ich eine Meinung habe, von der ich fest überzeugt bin. Eines dieser Themen ist die Anlageberatung. Vielfach kritisiert, unbeliebt und viel zu sehr reglementiert. Im Laufe meines Berufslebens habe ich viele Beratungsgespräche gesehen und gehört. Viele gute, noch viel mehr der Güte „Mittelklasse“ und leider auch einige richtig schlechte. Was aber macht ein gutes Beratungsgespräch aus?
Im Vordergrund stehen natürlich die Kunden. Was möchten sie? Warum kommt es zu einem Beratungsgespräch? Was ist die Anforderung oder gibt es einen ganz besonderen Anlass? Ideal ist es, wenn der Gesprächswunsch von den Kunden ausgeht. Im Bestfall kennen und achten Berater und Kunde(n) sich bereits .Jedoch sollte ein Berater niemals die Situation unterschätzen! Es gibt Inhalte, die man, auch wenn das Kundenverhältnis länger besteht und man einiges über seine Kunden weiß, niemals als gegeben voraussetzen sollte. Das ist ein grundsätzlicher Fehler!
Vor allem stehen ausschließlich die Kunden für die Dauer des Gesprächs im Mittelpunkt. Sie sind der Dreh- und Angelpunkt, ihnen gehört die Zeit des Beraters. Kollegen, andere Kunden, Handy, Laptop mit fachfremden Inhalten etc. haben dabei nichts zu suchen! Ein ungestörtes Gespräch ist ein unbedingter Hygienefaktor, dessen Fehlen der Kunde sofort negativ goutieren würde. Ruhe und Ordnung sind für das Gespräch wichtig – innere Ruhe des Beraters genauso wie ein aufgeräumter Schreibtisch. In einer angenehmen Atmosphäre ist die Grundlage für ein gelungenes Gespräch gelegt.
Egal, ob im Retail Banking oder im Private Banking: Das eigentliche Gespräch besteht aus möglichst vielen und offenen Fragen des Beraters, denn seine Kunden haben ein Anliegen, vielleicht ein Problem und es geht darum zu helfen. Je mehr Fragen ein Berater stellt, desto besser verlaufen Gespräche zumeist. Denn in diesen Gesprächen steht das Ergebnis nicht am Anfang fest, indem das zu verkaufende Produkt schon als Angebot in den Unterlagen schlummert, weil es beim Anbieter gerade auf der Verkaufsliste steht. Die guten Gespräche enden ergebnisoffen, weil noch Dinge zu bedenken oder zu klären sind, über die die Kunden eine Nacht schlafen oder die Empfehlungen mit einer dritten Person besprechen möchten.
Die guten Gespräche beinhalten nicht nur eine Empfehlung, sondern im besten Fall auch Alternativen oder ein Bündel von ganz unterschiedlichen Möglichkeiten, die so vielfältig wie die Ausprägungen des Lebens sind. Also nicht schwarz-weiß, sondern bunt. Die guten Gespräche sind die, bei denen Kunden eine Lösung bekommen, mit der sie glücklich sind: das Problem ist gelöst. Und es zeigt sich, dass Kunden bereit sind, einen höheren Preis für eine glaubwürdige Beratung und ein seriöses Produkt oder Portfolio zu zahlen, dessen Wert erkennbar und nachvollziehbar ist. Am Ende eines solchen Gesprächs fühlen sich Berater in ihrer Arbeit positiv bestätigt, weil sie die Erleichterung ihrer Kunden spüren, die Zufriedenheit und die feste Überzeugung, das Richtige zu tun, weil sie sich für die beste aller Möglichkeiten entschieden haben. Genau deshalb schätze ich die Anlageberatung, weil es genau dieses Gefühl ermöglicht.