Die Fortschritte im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) und die zunehmende Digitalisierung liefern neue Wertversprechen für Unternehmen. In einigen Branchen, u.a. der Wirtschaftsprüfung, entwickelt sich KI zu einer Schlüsseltechnologie im Wettbewerb. Die Mehrzahl der heute in vielen Lebensbereichen sichtbaren KI-Innovationen ist auf «Deep-Learning» (dt. Tiefes Lernen) zurückzuführen.
Eine Weiterentwicklung maschineller Lernverfahren findet sich in der jungen Teildisziplin des Deep-Learning. Im Allgemeinen bezeichnet das Deep-Learning den Einsatz selbstlernender künstlicher Neuronaler Netze. Eine Vielzahl der Grundideen des Deep-Learning sind nicht neu. Sie lassen sich auf die Entdeckung künstlicher Neuronaler Netze bzw. Neuronen in den 1940er bis 50er Jahren zurückführen. Das Attribut «deep» beschreibt hier das Lernen anhand einer hohen Anzahl, oftmals mehrerer hundert Schichten, künstlicher Neuronen. Im Unterschied zum klassischen Maschine-Learning verfügt das Deep-Learning über die Fähigkeit, die für eine Aufgabenstellung relevanten Merkmale eigenständig aus den Rohdaten zu erlernen. Die anhand menschlicher Expertise vorgenommene manuelle Extraktion relevanter Merkmale entfällt. Ein solches zeitgleiches Lernen von Lösungsmodellen und relevanten Datenmerkmalen wird als „End-to-End“ Learning bezeichnet.
Die Prüfungspraxis befindet sich derzeit in einer Transformationsphase von der IT-gestützten Prüfung zu einer zunehmend durch KI-unterstützten Prüfung. Das Spektrum der Einsatzmöglichkeiten von Deep-Learning zeichnet sich heute bereits für unterschiedliche Phasen der Prüfung ab.
Deep-Learning Verfahren ermöglichen hohe Volumina an strukturierten Daten (z.B. Datenbank- und Excel-Tabellen) zu analysieren, um zusätzliche Prüfungssicherheit zu generieren. Im Rahmen des Journal Entry Testings (ISA 240) ist es hierdurch möglich, gewöhnliche von ungewöhnlichen Buchungssystematiken zu unterscheiden. Zunehmend werden solche Verfahren auch im Kontext der analytischen Prüfungshandlungen (ISA 520) für die Prognose unternehmerischer Kennzahlen eingesetzt. Auch ist es anhand von Deep-Learning möglich, eine repräsentative Stichprobenauswahl aus einer Grundgesamtheit umfangreicher Buchungs- bzw. Geschäftsprozessdaten zu erlernen (ISA 530).
Einen Mehrwert für die Prüfungspraxis bieten Deep-Learning Verfahren auch auf dem Gebiet der Analyse unstrukturierter Daten (z.B. Text-, Sprach- und Bilddaten). Bereits heute können Deep-Learning basierte Sentimentanalysen ein wertvolles Verfahren für die Analyse von Geschäfts- und Lageberichten (ISA 720) sowie Befragungen (ISA 500) darstellen. Deep-Learning basierte Objekterkennung wird ebenfalls für die Prüfung von Vorräten (ISA 501) eingesetzt. Auch ist es zunehmend denkbar, Vorschläge der Prüfungsdokumentation (ISA 230) in natürlicher Sprache durch Deep-Learning Verfahren vor-erstellen zu lassen.
Die symbiotische Weiterentwicklung von Prüfungshandlungen und Deep-Learning Verfahren wird dazu führen, dass sich KI zunehmend in der Prüfungspraxis etabliert. Der neue Zertifikatsstudiengang Certified Audit Data Scientist greift diesen technologischen Wandel auf und vermittelt moderne KI-unterstützte Prüfverfahren.
Dieser Blogbeitrag stellt einen Auszug des durch die Autor:innen verfassten Artikels „Deep Learning für die Wirtschaftsprüfung – Eine Darstellung von Theorie, Funktionsweise und Anwendungsmöglichkeiten“ (Zeitschrift für internationale Rechnungslegung (IRZ) Ausgabe 7/8, 2021, S.349-355, C.H. Beck Vahlen Verlag) dar.
Die Co-Autorin Anita Gierbl promovierte an der Universität St. Gallen (HSG) zum Thema „Data Analytics in external Auditing“. Seit 2019 arbeitet sie bei PwC Schweiz in der externen Prüfung. Neben der Ausbildung zum Schweizer Wirtschaftsprüfer engagiert sie sich als Digital Accelerator bei PwC Schweiz. Zusätzlich arbeitet sie als Mitarbeiterin an der Universität St. Gallen und als Fachassistenz bei Swiss GAAP FER.