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Coronavirus stellt die Bildung auf den Kopf: Wie wir jetzt das Potenzial nutzen
Weiterbildung / 20. März 2020
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Marketing & Sales Koordinatorin
Michelle Neumann ist Marketing & Sales Koordinatorin Bereich Professional & Executive Education der Frankfurt School.

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Bildung ist Zukunft. Darüber ist man sich weltweit einig. Jeden Tag gehen mehr als eine Milliarde Kinder zur Schule. Schule bringt nachweislich Gewinne für eine glückliche Kindheit – das Schließen von Freundschaften, die Unterstützung durch Lehrerinnen und Lehrern, Stabilität. Eine tägliche Routine ist essentiell, besonders für Kinder, die aus einem unsicheren und gefährlichen Umfeld kommen. Trotzdem gehen circa 124 Millionen Kinder weltweit nicht in die Schule – ihnen wird ein wesentlicher Teil einer gesunden Entwicklung vorenthalten. Und dagegen kämpfen Initiativen wie UNICEF schon jahrelang.

Mit dem Coronavirus steht jetzt unser eigenes Bildungssystem vor einer Herausforderung: Die Menschen sollen zuhause bleiben, um die Verbreitung des Virus zu verlangsamen. Eine der ersten Maßnahmen, um dies zu realisieren, war die Schließung der Schulen. In Deutschland gehen demnach alle Kinder bis nach den Osterferien nicht zum Unterricht, trotzdem soll diese Zeit nicht als Verlängerung der Ferien angesehen werden.

Neue Wege finden

Die Einen geben den Eltern ihrer Schüler Aufgaben in Papierform mit nachhause, damit diese in der unterrichtsfreien Zeit bearbeitet werden. Die Anderen setzen auf digitale Medien: Fortschrittliche Schulen bieten bereits Online-Lernplattformen an. Digitale Klassenzimmer ermöglichen Home-Schooling und damit eine Erhaltung der für die Kinder so wichtigen täglichen Routine. Doch oft sind die in der Vergangenheit wenig genutzten Systeme überlastet – ein Stresstest mit derart vielen, gleichzeitig aktiven Nutzern ist zuvor nicht durchgeführt worden. Für die Zukunft lassen sich daraus wertvolle Erkenntnisse ableiten. Wenn jetzt die Entwicklung und vermehrt auch die Nutzung digitaler Ansätze im Bildungssektor unterstützt wird, ergeben sich langfristige Chancen, von denen die junge Generation profitiert.

Dabei ist nicht die Rede vom Ersetzen, sondern eher vom Ergänzen: Kinder und Studierende sollen weiterhin zur Schule und zur Universität gehen, das fördert vor allem die Sozialkompetenzen. Digitale Medien können aber dann einen deutlichen Mehrwert schaffen, wenn sie ergänzend eingesetzt werden.

Vorbild: Estland

Estland gilt, wenn es um den digitalen Fortschritt in Schulen geht, bereits als Vorbild. Hier lernen die Kinder sehr früh, selbst zu Programmieren und eignen sich so zukunftsrelevantes Wissen an. Das Land hat auf die Digitalisierung gesetzt und hilft den Kindern dabei, die digitale Welt zu durchschauen. Das minimiert auch Risiken: Wer früh den Umgang mit dem World Wide Web erlernt, weiß dies auch für sich zu nutzen. Etwa für Recherche oder die Erstellung interaktiver Präsentationen. Grafik-Design und Videografie werden gefördert. Auch die Erkennung von Fake-News fällt Kindern leichter, wenn sie das Internet besser verstehen. Die Kinder werden darauf vorbereitet, wie ihre Lebensrealität nach dem Verlassen der Schule aussehen wird. Estland hat die Chancen erkannt, während Deutschland sich noch zu sehr mit den Risiken beschäftigt. Vor allem der Datenschutz, der indiskutabel wichtig ist, scheint uns häufig im Wege zu stehen.

Vielleicht erweckt der Ausbruch von COVID-19 jetzt das Verständnis dafür, wie wichtig digitale Medien heute sind. Wenn wir diese nicht nur als Konsumgerät, sondern als Werkzeug verstehen, können wir Laptop, Tablet und Co durchaus auch in den Bildungseinrichtungen einsetzen.

Studium und Weiterbildung

Die Gründung erster Online-Universitäten hat aufgezeigt, dass nicht nur Schulkinder von der Digitalisierung profitieren, sondern vor allem auch Studierende und jene, die sich im Beruf weiterbilden möchten. Blended-Learning Konzepte und E-Learnings werden bereits angeboten, könnten aber durchaus weiter ausgebaut werden.

Lehrkräfte sehen sich häufig in einer Schleife: Sie erzählen immer wieder dasselbe. Grundlagenwissen ist in jedem Studium und jeder Weiterbildung entscheidend und oft wenig abwechslungsreich für denjenigen, der es vermittelt. Genau hier könnte man mit digitalen Medien einen Mehrwert schaffen. In Zukunft können die Basics online zur Verfügung gestellt werden, wodurch der Lernende sie sich interaktiv selbst beibringt – zeitlich flexibel, in seinem persönlichen Tempo. Der Kreativität ist dabei freien Lauf gesetzt: Das Spektrum reicht von Skripten über bildliche Darstellungen bis hin zu Erklärvideos und Aufzeichnungen vorheriger Vorlesungen. Das entlastet nicht nur die Lehrkräfte, sondern fördert auch die Selbstständigkeit der Lernenden. Die Lehrkraft kann wieder in die Rolle des Coaches schlüpfen und die Präsenzzeiten für echte Interaktionen mit den Teilnehmern als Individuum nutzen. Fragen und Antworten zu klären oder spezifische Situationen zu besprechen schafft Abwechslung und motiviert. Persönliches Feedback und die Beratungsfunktion des Dozenten rücken in den Mittelpunkt und können zu einem deutlicheren Lernerfolg führen. Den Studierenden und Teilnehmern an Weiterbildungen einen gewissen Freiraum dafür zu schaffen, Lernziele eigenständig zu erreichen – zeitlich sowie räumlich flexibel – und diesen Fortschritt nachempfinden zu können, nimmt ihnen den Lernzwang und führt vielleicht sogar dazu, dass ihnen das Lernen mehr Spaß macht.

Erkennen wir jetzt deutschlandweit die Chancen, die digitale Medien eröffnen, können wir in Zukunft besser mit Extremsituationen wie einer Epidemie umgehen.

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