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Ein Plädoyer für höhere Steuern
Weiterbildung / 28. Juli 2020
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Senior Programm Manager Executive Education
Thomas Kohrs leitet den Bereich Asset & Wealth Management der Executive Education an der Frankfurt School. Er ist ausgebildeter Diplom-Bankbetriebswirt, der Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt in den Gebieten Wertpapier und Vertrieb. Er verfügt seit mehr als 25 Jahren über praktische Erfahrung als Berater, Trainer und Dozent an der Frankfurt School.

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Die Maßnahmen gegen die Auswirkungen der Pandemie haben es gezeigt. Selten war das Motto „viel hilft auch viel“ so wahr wie heute. Fast völlig losgelöst von Wahlkampfgeplänkel hat die große Koalition in das Füllhorn der Wohltätigkeit gegriffen und wirft Geld auf den Markt. Aber nicht nur in Deutschland. In Europa und weltweit agieren die Regierungen nach demselben Muster. Die Wirtschaft muss so weit wie möglich gestützt werden, koste es was es wolle. Über die Sinnhaftigkeit mancher Maßnahmen lässt sich dabei vortrefflich streiten. Da die Staaten in aller Regel das Geld nicht auf der hohen Kante haben, gibt es nur ein probates Mittel und nur eine Quelle: Schulden. Doch Schulden müssen irgendwann zurückgezahlt werden. Aber wann und von wem, wenn Wirtschaft und Bevölkerung auf einem möglicherweise niedrigeren Niveau arbeiten müssen und die Steuererlöse deshalb nicht mehr so üppig sprudeln? Sind hier höhere Steuern die Lösung?

Steuern als signifikante Einnahmequelle

Schon mehren sich die Stimmen, dass man nicht alle Lasten auf den Schultern der zukünftigen Generationen abladen könne, „die Vermögenden“ sollten daher einen Beitrag leisten oder eine Vermögenssteuer eingeführt werden, denn „reich sein ist ungerecht!“ So beginnt der kommende Wahlkampf, der zumindest von der Opposition schon geführt wird. Oder einige Politiker, die sich in der Fraktion oder der Parteiführung noch profilieren möchten und einen Corona Soli fordern.

Spielen wir doch mal ein paar Gedanken durch: Bund, Länder und Gemeinden haben im Jahr 2019 rund 799 Mrd. Euro eingenommen. Im Wesentlichen gibt es dabei zwei Steuern, die für den Staat eine signifikante Einnahmequelle darstellen: Die Lohn- und Einkommenssteuer mit rund 283 Mrd. Euro sowie die Umsatzsteuern (inklusive Einfuhr) von rund 243 Mrd. Euro. Dazu kommt ein Betrag in Höhe von 5 Mrd. Euro aus dem Abgeltungssteuertopf. Bei den beiden ersten Steuerarten an den Stellschrauben zu drehen, hat sofort eine Auswirkung. Durch die Senkung der Mehrwertsteuer auf 16 Prozent bis Ende 2020 ergibt sich jedoch auch eine Steuerminderung. Es bleibt spannend, wie sich dieses Szenario weiterentwickelt.

Pauschale vs. individuelle Besteuerung

Die Grundfreibeträge und das Kindergeld wurden gerade angehoben, was auch nicht zu Mehr- sondern zu Mindereinnahmen führt. Steuersätze für alle zu erhöhen ist unpopulär, gerade in Zeiten der Soli-Reduktion und der bevorstehenden Bundestagswahl. Was also müsste passieren, um hier etwas zu erreichen? Hier kommt die Abgeltungssteuer wieder ins Spiel und die Frage, warum dieser Betrag mit nur 5 Mrd. Euro so gering ist. Der ehemalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück hatte unter dem Motto „Besser 25 Prozent von x als nix“ die Abgeltungsteuer von 25 Prozent durchgesetzt. Damit werden viele Kapitaleinkünfte der vermögenden Kunden – im Gegensatz zu beispielsweise Mieteinnahmen – nicht mit dem persönlichen Steuersatz, sondern pauschal mit 25 Prozent besteuert. Das auch nur dann, wenn der persönliche Steuersatz darüber liegt. Steuerpflichtige mit einem geringeren Durchschnittssteuersatz können sich den Differenzbetrag erstatten lassen.

Alles über 25 Prozent wandert – anders als früher – in die Taschen der Kapitaleigner, um vermögenden Kunden keinen Anreiz zu geben, ihr Geld im Ausland zu bunkern, sondern dem Wirtschaftskreislauf Deutschlands zuzuführen. Zumal es im Zeitalter von internationalem Datenaustausch sehr viel schwieriger geworden ist, unentdeckt Geld ins Ausland zu transferieren. Außerdem: Mit einer Änderung des Pauschalsatzes auf eine individuelle Besteuerung ließen sich – sozial verträglich – viele Milliarden Euro einnehmen Durch die Freibeträge und die niedrigen Zinsen sind viele „Normalbürger“ gar nicht betroffen.

Diese Maßnahme ließe sich auch dem letzten Skeptiker gut erklären und ist vor allem populär: Es träfe nur die Reichen. Warum also kompliziert, wenn es auch einfach geht? Auf die Vermögenssteuer können wir verzichten, denn Vermögen schafft man in aller Regel mit versteuertem Geld. Besteuern wir die Einnahmen auf individueller Ebene als aus allen Quellen gleich, nämlich mit dem individuellen Steuersatz und nicht pauschal. Nur das ist gerecht.

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