Es ist noch nicht lange her, dass ich mir adhoc ein neues Hemd kaufen musste. Nicht, weil ich keine hätte, aber manchmal geht einfach etwas kaputt und Ersatz muss schnell her. So geschehen vor ein paar Wochen, als mir die Knopfleiste am Hemd ausriss. Am selben Tag stand eine Abendveranstaltung an – und mit kaputtem Hemd konnte ich dort nicht erscheinen. Ersatzhemd nicht im Büro, also musste schnell ein neues her. Der Entschluss war gefasst: In Frankfurt gibt es auf der Zeil das ein oder andere größere, bundesweit tätige Bekleidungskaufhaus. Gesagt, getan – in der Mittagspause auf den Weg gemacht, mit klaren Vorstellungen: blau, button-down, für den gesetzten älteren Herrn. Vor Ort suchte ich erst selbst und stellte fest, dass Hemden heute meist nicht mehr verpackt sind. Umweltschutz ist schön und gut – aber was, wenn viele Menschen das Produkt schon angefasst haben? Die Verkäuferin war – mit Verlaub – stets bemüht, konnte mit meinen Vorstellungen aber wenig anfangen. Sprachbarriere oder mangelndes Verständnis? Nach einiger Suche fanden wir ein Hemd. Noch mal Maß genommen – passt. In der Not fragt man nicht nach dem Preis, also gekauft – auch wenn es für ein einfaches Hemd nicht ganz billig war. An der Kasse bat ich um eine Tasche. „Macht zwanzig Cent“, meinte die Kassiererin patzig und reichte mir eine Papiertasche mit Werbeaufdruck. Ich musste sie wohl oder übel nehmen, wies aber darauf hin, dass ich normalerweise bezahlt werde, wenn ich Werbung mache – nicht umgekehrt. „Machen Sie im Supermarkt auch“, entgegnete sie noch patziger. Jetzt fragt sich der geneigte Leser: Warum erzählt der Autor das alles? Die Antwort ist einfach: Mein Einkaufserlebnis war verdorben. Das Hemd ist fraglos schön, ich habe es seither mehrfach getragen. Aber ich werde immer an dieses unangenehme Erlebnis erinnert. Und wenn ein Einkauf negativ in Erinnerung bleibt, tue ich eines ganz sicher: Nie wieder in diesen Laden gehen – sondern künftig wieder online bestellen. Wenn das vielen so geht, wird das Kaufhaus bald schließen müssen.
Dabei wäre es eigentlich so einfach: Schaffe ein Einkaufserlebnis, eine kleine Wohlfühloase und der Kunde kommt wieder. Es geht dabei nicht nur um das Produkt selbst, sondern um das Gefühl, das damit verbunden ist. Um das, was mitschwingt: Wertschätzung, Vertrauen, Stil.
Doch was passiert, wenn es gar kein sichtbares Produkt gibt? Keinen schönen Stoff, kein Designerstück, das man tragen kann? Wenn das, was man „kauft“, eine Dienstleistung ist, eine Erfahrung, ein Versprechen? Dann wird es schwieriger.
Financial Planning ist eben kein sichtbares Statussymbol. Es ist keine Hermès Birkin Bag, die man mit sich trägt und mit der man Eindruck schinden kann. Gute Finanzplanung wirkt im Verborgenen. Unauffällig, leise, aber mit großer Wirkung. Und genau darin liegt ihr eigentlicher Wert.
Die Quintessenz ist klar und in einem ganz wunderbaren Artikel im Private Banking Magazin (Was Private Banking von Luxusmarken lernen muss) sind die Parameter hervorragend beschrieben. Sie werden hier – verändert aber in der Quintessenz identisch wiedergegeben:
Jeder Kunde an sich ist eine Zielgruppe mit Anspruch. In allen Bereichen ist der Preis nicht der entscheidende Punkt, sondern das Erlebnis. Service wird nicht erwartet, sondern vorausgesetzt.
Qualität, Leistung und gutes Preis-Leistungsverhältnis sind nicht nur Schlagworte, sondern (gelebte) Markenwerte. Es zählt nicht Masse, sondern die Tiefe der Beziehung, auch wenn es im Kern eine Gattungsschuld ist.
Wer Leistung sucht, sucht Bestätigung. Die Erwartungshaltung geht in der Regel einher mit einer entsprechenden Zahlungsbereitschaft, wenn, ja wenn das Produkt / die Dienstleistung auch die emotionale Ebene erfüllt.
Kunden, die sich mit einer Marke / einem Berater identifizieren, bleiben treu, über viele Jahre. Deshalb nehmen Berater bei einem Dienstleisterwechsel auch oft ihre Kunden mit. Es gibt eben eine emotionale Beziehung. Die Wechselhürde ist dann entsprechend hoch?
Ob Käufer im Kaufhaus oder Financial Planner – entscheidend ist die Fähigkeit, individuelle Bedürfnisse zu erkennen, zu erfüllen und zu übertreffen. Service ist kein Feature – es ist das Produkt. Die im besagten Artikel resümierenden Feststellungen von Herrn Weiß sind so gut, dass ich sie auch hier – nur ein klein wenig verändert – nahezu zitiere:
Wenn Anbieter von Produkten und Privatbankdienstleistungen heute bereit sind, ihr Selbstverständnis zu schärfen, ihre Kundenerlebnisse zu veredeln und ihre Haltung sichtbar zu machen, dann ist es nicht nur möglich, sich vom Wettbewerb zu differenzieren – sondern Begehrlichkeiten zu erzeugen.
Nicht durch lautstarke Werbung. Nicht durch Versprechungen, die ohnehin niemand garantieren kann. Sondern durch Präsenz, Persönlichkeit und Präzision. Denn am Ende bleibt im Gedächtnis, wie etwas sich anfühlte, siehe auch hier das eingangs geschilderte Erlebnis.
Und das ist die vielleicht wichtigste Erkenntnis aus der Welt des Konsums: Man erinnert sich nicht an jeden Preis, aber an jedes Gefühl. Wer das versteht, wird nicht zum Anbieter der Wahl – sondern zum Anbieter der erfüllten Emotion. Und das ist, im besten Sinne, Luxus, in jeder Ebene.