Nachdem wir in einem ersten Beitrag das Risikomanagement von Kreditinstituten in Bezug auf eine Situation wie der jetzigen Pandemie CoVID-2019 erörtert haben, betrachten wir jetzt die Sparte Tourismus am Beispiel einer Fluggesellschaft.
Unternehmen bereiten sich in ihrem Risikomanagement auf die operativen Einschränkungen, Verluste und Liquiditätsengpässe von möglichen Krisen durch Geschäftsfortführungspläne sowie Kapital- und Liquiditätspuffer vor. Damit sollen Unternehmen für Rezessionen und Marktturbulenzen gewappnet sein.
Die Beschreibung für das Szenario „Viren-Epidemie“ sieht so aus: Der Absatz fällt plötzlich weg, die Fixkosten laufen weiter. Die Finanzmärkte brechen ein, weil Wachstums- und Dividendenerwartungen korrigiert werden. Auf diesen kurzfristigen Schock folgt mittelfristig eine „normale“ Rezession.
Das Beispiel einer großen Fluggesellschaft, welche zwei Tage nach dem Verkünden des Einreisestopps für Europäer in die USA Staatshilfe beantragt hat, lässt vermuten, dass für einige Unternehmen die Epidemie in Schwere und Zeitprofil über die getesteten Szenarien hinausgeht und sie damit die Epidemie nicht aus eigener Kraft überleben können.
Starten wir ein Exempel: Eine Fluggesellschaft weist für das Jahr 2019 einen Jahresumsatz von ca. 36 Milliarden Euro (3 Mrd. pro Monat) aus und berichtet einen Gewinn von ca. 1,2 Mrd. EUR. Wenn in 2020 alle Flugzeuge für 12 Kalendertage am Boden blieben und wir alle Kosten als Fix annehmen, würde die Fluggesellschaft das Geschäftsjahr mit einer schwarzen Null beenden.
Die Fluggesellschaft hat 10.2 Milliarden EUR Eigenkapital. Wenn die Flugzeuge 64 Kalendertage am Boden blieben, wäre nicht nur der geplante Jahresgewinn sondern auch noch die Hälfte des Eigenkapitals weg. Nach 115 Kalendertagen ohne Flugbetrieb und Einnahmen wäre die Fluggesellschaft schließlich insolvent.
Szenario am 19.3.2020 bei der Lufthansa: Ab Montag 23.3.2020 Kurzarbeit für 31.000 Mitarbeiter, nur noch drei Langstreckenflüge pro Tag und diese nur noch ab Frankfurt, insgesamt wird der Flugplan auf 5% von Normal heruntergefahren und die Nord-West-Landebahn am Flughafen Frankfurt wird gesperrt, so Lufthansa Vorstandschef Carsten Spohr bei der Bilanzpressekonferenz.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass es 50 Tage und mehr braucht, bis sich die Wirtschaftsabläufe nach der Epidemie wieder normalisieren. Dass der Umsatzausfall wieder komplett aufgeholt wird, ist unwahrscheinlich. Geschäftsreisen werden nicht nachgeholt werden. Viele Haushalte werden aufgrund von Einkommenseinbußen auf Urlaubsreisen verzichten müssen. Dazu kommt, dass nicht alle ihre Kosten für ausgefallene Reisen komplett erstattet bekommen werden. Auch die Stornierung der Urlaubstage in den Unternehmen wird problematisch werden. Demzufolge ist es wahrscheinlich, dass die Risikoszenarien und -modelle einer Fluggesellschaft wie auch aller anderen Reiseveranstalter das finanzielle Ausmaß einer solchen Viren-Epidemie nicht antizipiert haben und demzufolge darauf nicht vorbereitet sind.
Epidemie-Szenarien (Kurzfristig: 0 Absatz, Kosten laufen weiter, mittelfristig: „normale“ Rezession) treffen jedes Unternehmen mehr oder weniger stark. Es kann Unternehmen geben, welche beim Testen dieser Szenarien feststellen, dass die finanziellen Absicherungskosten für ein solch seltenes Epidemie-Szenario zu hoch sind. Dieses trifft auf Fluggesellschaften zu. Diese Unternehmen würden dann diese Szenarien rechnen, aber gar nicht erst versuchen, diese abzusichern, sondern auf das Eingreifen des Staates hoffen.
Wenn sich das Szenario für das Unternehmen von typischen Rezessionsszenarien in Schwere und Zeitablauf wesentlich unterscheidet, sollte es in den zukünftigen Szenario-Katalog mit aufgenommen werden. In jedem Falle sollte ein Viren-Epidemie-Szenario als „Absatz-Flashszenario“ von jedem Unternehmen zukünftig zumindest gerechnet werden.
Es ist zu erwarten, dass zukünftige Epidemie-Szenarien weniger drastisch ausfallen, weil die Politik und Unternehmen besser vorbereitet sind und mit der bei CoVID-2019 gesammelten Erfahrung gezielter reagieren können.