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ESG Due Diligence bei M&A Transaktionen – Deal Maker oder Deal Breaker?
Weiterbildung / 9. Januar 2023
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Professor in Finance & Accounting, Munich Business School | Head of M&A, Bayerische Landesbank
Prof. Dr. Johannes Hofinger ist Professor für Finance & Accounting an der Munich Business School. Zudem berät er Banken in den Bereichen Risikomanagement, Nachhaltigkeit, ESG-Offenlegung. | Jens Schulte ist Head of M&A im Bereich Sparkassen bei der Bayerischen Landesbank. Außerdem ist er an den Sparkassenakademien Bayern und Baden-Württemberg als Dozent tätig.

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Erfahrene M&A Kolleg:innen wissen es schon längst. „Drum prüfe wer sich ewig bindet“ macht in vielen Lebenslagen Sinn, aber insbesondere auch bei Unternehmenskäufen und -zusammenschlüssen. Der Due Diligence Prozess, der in der Vorvertragsphase durch die Untersuchung des Unternehmens einen tieferen Einblick in das Geschäftsgebaren und die Finanzkraft verschaffen soll, ist seit langem etabliert. Aber reicht es, die Due Diligence Prüfung auf die klassischen Themen wie Geschäftsmodell, Finanzen, Recht und Steuern zu beschränken? Kann eines der präsenter werdenden Themen, die Nachhaltigkeit der Geschäftstätigkeit [1], bei M&A Aktivitäten ausgeblendet werden? Hierzu ein klares Nein. Was für das eigene Unternehmen richtig ist, muss auch für das M&A Geschäft und die Beteiligten gelten. Und so wie das Thema Nachhaltigkeit in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist, betrifft es längst nicht mehr nur die „Mega Deals“, sondern gewinnt im klassischen Mittelstand in hohem Tempo an Relevanz.

Nachhaltige Verhaltens- und Berichtspflichten verschärfen sich

Kapitalmarktorientierte Unternehmen in der EU unterliegen bereits seit 2014 den Vorgaben der Non-financial Reporting Directive (NFRD) [2]. Nun kommen aber mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) [3] und den begleitenden technischen Standards [4] verschärfte Vorgaben zur Einbettung von ESG [5] Due Diligence Aspekten in die Unternehmen [6] hinzu. Dabei stechen die Identifikation der Principal Adverse Impacts (PAI) [7], die eingeleiteten Maßnahmen und deren Nachverfolgung ins Auge.
Ist es nun vorstellbar, dass sich ein Unternehmen, welches seine ESG-Hausaufgaben ordentlich gemacht hat, versteckte ESG-Risiken durch ein zu übernehmendes Unternehmen einhandeln will? Vermutlich nicht. Vielmehr ist es ratsam, sich schon vorab im Rahmen der Due Diligence Prüfung einen detaillierten Eindruck über dessen ESG-Konformität zu verschaffen. Fahrlässig unentdeckte Umwelt- und Klimarisiken mögen dies in der Nachbetrachtung als weise Vorgehensweise zur Vermeidung von ESG Haftungs- und Schadenersatzklagen erscheinen lassen!

ESG Due Diligence schwerpunktmäßig auf Käuferseite?

Getrieben wird das M&A Geschäft durch zahlreiche Beteiligte mit unterschiedlichen Interessenslagen. Die Verkäuferseite könnte wohl zurecht jeden Beauty Contest gewinnen, und die Käuferseite würde einen kritischen „Kontrolleur“ abgeben. Der Dreiklang wird vervollständigt durch das finanzierende Kreditinstitut, dessen Interesse jedenfalls bis zur Rückführung der ausstehenden Forderungen reicht. Sofern der Verkäufer eine Vendor Due Diligence durchführt, können bestehende ESG-Risiken bereits vor Eintritt in die Transaktion identifiziert, und bestenfalls beseitigt werden mit positiven Auswirkungen auf den erzielbaren Kaufpreis.
Häufiger werden allerdings die ESG-Risiken im Rahmen der Due Diligence auf der Buy Side aufgedeckt, wobei die Käufer bedeutend sensibler und auch kritischer bei potenziellen Übernahmekandidaten in Bezug auf das Risiko von ESG-Haftungs- und Schadenersatzklagen geworden sind. Laut einer PwC-Studie  [8] zum globalen Private Equity (PE) Geschehen gaben 56 % der Befragten an, dass ESG-Themen im Jahr 2021 mehr als einmal jährlich in Vorstandssitzungen von PE-Investoren behandelt wurden (2019: 35%). Das wachsende Interesse an ESG wird weiter durch die Aussagen von 72% der Befragten deutlich, ihre Zielunternehmen stets auf ESG-Risiken und Chancen in der Phase vor der Akquisition zu überprüfen bzw. von 56 % der Beteiligten, die aus ESG-Gründen ihre Investitionen sogar zurückgestellt haben.
Den Banken kommt als Finanzierungspartner der Akquisition eine zentrale Position zu, die sie zukünftig wegen des ESG-Scores häufig zu Deal Makern oder Deal Breakern machen könnte. Die Kreditvergabe wäre dann sowohl an das eigene Bankenrating (Stichwort Green Asset Ratio) als auch an das Erreichen bestimmter ESG-Zielwerte des Kreditnehmers geknüpft. Das könnte bedeuten, je schlechter das ESG-Rating des neuen Unternehmens ausfällt, desto kostspieliger werden die Finanzierungsbedingungen. Im schlimmsten Fall kann kein Darlehen gewährt werden, beziehungsweise wäre bei Nichteinhaltung der ESG-Bedingungen eine wesentliche Verteuerung der Kreditverträge denkbar. Das bedeutet aber auch, dass Käufer, die selbst über ein gutes ESG-Rating verfügen und/oder in ein Unternehmen mit positiver ESG-Performance investieren, an günstigere Finanzierungskonditionen kommen könnten.

ESG auch bei mittelständischen M&A Aktivitäten angekommen

Nun könnte man noch einwenden, dass ESG-Kriterien nur bei M&A Transaktionen von „großen“ Unternehmen relevant wären. Dieses Argument mag bisher (beschränkt) Gültigkeit gehabt haben. Doch durch die neue CSRD wird sich der Kreis der ESG-berichtspflichtigen Unternehmen maßgeblich erweitern. Waren bisher in Deutschland nur ca. 550 Unternehmen betroffen, so vergrößert sich nun der Kreis durch niedrigere Schwellenwerte [9] auf ca. 15.000 Unternehmen und erreicht damit die mittelständische Wirtschaft [10].
Laut „S-Mittelstands-Fitnessumfrage 2021“ des DSGV [11] treibt Deutschlands Mittelstand den Umbau in Richtung Nachhaltigkeit sogar voran, weil die Befragten mehrheitlich das Thema als Chance wahrnehmen, sich deshalb nachhaltig ausrichten und bereits konkrete Maßnahmen ergreifen. Die Sparkassen selbst beschäftigen sich sehr intensiv mit den ESG-Kriterien und bedienen sich hierbei eines Scoring-Modells (S-ESG-Score) zur systematischen Analyse des Nachhaltigkeitsgrads und der damit verbundenen Risiken [12].

Empfehlung zum Aufbau von ESG-Know-How!

Dieser Artikel zeigt, dass ESG-Aspekte aus dem M&A Due Diligence Prozess nicht mehr wegzudenken sind, und in Zukunft auch immer mehr mittelständische Unternehmen betroffen sein werden. Eine Vorbereitung auf ESG-Fragen von Käufer-, von Verkäufer- und auch von Finanzierungsseite ist angebracht. Dies setzt voraus, dass die Mitarbeitenden aller Beteiligten ausreichend geschult sind, und frühzeitig den Kontakt zu den Banken als Finanzierungspartner suchen. Auch wenn die Ausgangsinteressen unterschiedlich sein mögen, so eint das Ziel, dass nach erfolgreichem Abschluss der M&A Transaktion keine Partei von unliebsamen ESG-Risiken überrascht werden will.

Dr. Patrik Buchmüller ist Co-Author des Blogbeitrags und Dozent des Zertifikatsstudiengangs Risikomanager Non-Financial Risks an der Frankfurt School.


Quellen:

1 EU Taxonomie Verordnung (EU) 2020/852

2 Nicht-finanzielle Berichterstattung, NFRD 2014/95/EU. Die Umsetzung dieser Richtline in nationale Gesetze erfolgte in den darauffolgenden Jahren, in Deutschland bspw. 2017 mit dem CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (CSR-RUG), in Österreich durch das Nachhaltigkeits- und Diversitätsverbesserungsgesetz 2016 (NaDiVeG).

3 Richtlinie (EU) 2022/2464

4 European Sustainability Reporting Standards (ESRS). Die (finalen) ESRS wurden von der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) termingerecht Ende November 2022 an die EU-Kommission zur weiteren gesetzgeberischen Behandlung zur Verfügung gestellt.

5 Environment, Social, and Governance (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung)

6 [Draft] ESRS 1 – General Requirements, Punkt 4 Sustainability due diligence

7 Negative Auswirkungen der eigenen Geschäftstätigkeit auf die Umwelt.

8 PwC, „Global Provate Equity Responsible Investment Survey 2021“

9 Art. 5 CSRD

10 KPMG, https://home.kpmg/de/de/home/themen/uebersicht/esg/corporate-sustainability-reporting-directive.html, Zugriff: November 2022

11 Deutscher Sparkassen- und Giroverband, Diagnose Mittelstand 2021

12 Sparkassen Rating und Risikosysteme (SR), Nachhaltigkeit messbar machen

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