Die regulatorische Aufmerksamkeit für Sustainable Finance richtet sich zunehmend auf finanzielle und nicht-finanzielle Institutionen. Wenn Sie im Topmanagement eines Finanzinstituts oder eines Produktionsunternehmens in Deutschland arbeiten, haben Sie höchstwahrscheinlich das eine oder andere über die Diskussionen der freiwilligen und obligatorischen Offenlegungen zu Umwelt-, Sozial- und Governance-Themen (ESG) gehört. Wenn Sie ein Vermögensverwalter sind, haben Sie sich bestimmt über die treuhänderischen Pflichten informiert, die Ihnen rechtliche Unterstützung bei der Berücksichtigung von ESG-Themen in Kundenportfolios bieten.
Zusammen mit Karsten Löffler und Sebastian Rink haben wir ein Kapitel zum neuen Buch Nachhaltige Finanzwirtschaft: Grundlagen und Konzepte für die Praxis, das seit April 2020 auf dem Markt erhältlich ist beigetragen. In unserem Kapitel Regulatorische Entwicklungen hin zu einer nachhaltigen Finanzwirtschaft – Historie und Ausblick geben wir einen historischen Rückblick auf die schnellen regulatorischen Entwicklungen in Europa, unter anderem in Deutschland. Zusätzlich machen wir einige Vorschläge, wie sich Finanzinstitute auf die anstehenden Herausforderungen und Chancen vorbereiten könnten. Wenn Sie die regulatorische Aufmerksamkeit in Ihrem Arbeitsumfeld bereits gespürt haben, ist es an der Zeit, sich einen Überblick über die aktuelle Situation zu verschaffen.
Unseren Beobachtungen zufolge haben die schnellen regulatorischen Entwicklungen seit 2015 die Voraussetzungen und Fahrpläne für Sustainable Finance in Europa geschaffen. Die TCFD hat die klimabezogene Offenlegung in Gang gesetzt. Die Europäische Kommission hat den Fahrplan für die Finanzierung von nachhaltigem Wachstum festgelegt und unterstützt aktiv verschiedene damit zusammenhängende Aktionen. So wurde z.B. der Abschlussbericht über die EU-Taxonomie veröffentlicht, um eine standardisierte Klassifizierung von wirtschaftlichen Aktivitäten zu erleichtern. In Deutschland wurde der Sustainable Finance-Beirat eingerichtet, um Sustainable Finance-Strategien zu entwickeln. Generell sind Richtlinien für Sustainable Finance auf nationaler und regionaler Ebene für Regulierungsbehörden entwickelt worden, um eine stärkere Fokussierung auf Aufsichtsverfahren zu gewährleisten.
Viele Politiken im Bereich der Sustainable Finance in Europa haben sich auf die Verbesserung der Qualität und Quantität der Datenlage konzentriert. Der Grund dafür ist, dass Informationen für den Finanzmarkt entscheidend sind, um genaue Preissignale zu erzeugen. Investoren benötigen bei Investitionsentscheidungen klimarelevante Informationen. Die Regulierungsinitiativen zur Verbesserung der Transparenz und zur Stärkung der Offenlegung dienen genau diesem Zweck. Darüber hinaus erstrecken sich die politischen Diskussionen auch auf Nachhaltigkeitsrisiken im Risikomanagement, auf Maßnahmen im Zusammenhang mit Sustainable Finance-Produkten, auf die Governance des Finanzsystems und auf Anreizsysteme sowie auf die Verstärkung der allgemeinen Forschungsanstrengungen in diesem Bereich.
Strategien und Maßnahmen auf EU-Ebene und europaweit signalisieren, dass Sustainable Finance kein schnell verblassender Trend, sondern vielmehr eine lang anhaltende transformative Kraft im Finanzsystem ist. Unter der COVID-19-Krise sollte die Nachhaltigkeit eine Schlüsseldimension der Entscheidungsmatrix bleiben, z.B. bei der Gestaltung der grünen Konjunkturpakete für die wirtschaftliche Erholung in Europa. In der neuen Ära, in der die Nachhaltigkeit bei vielen wichtigen politischen und kommerziellen Entscheidungen eine zentrale Rolle spielt, wird es für Finanz- und Nichtfinanzinstitutionen zweifellos von Vorteil sein, über die regulatorischen Entwicklungen auf dem Laufenden zu bleiben und im Bereich der Sustainable Finance die Vorreiterrolle zu übernehmen.
Weitere Einzelheiten zu den regulatorischen Entwicklungen finden Sie in unserem Kapitelbeitrag im Buch Nachhaltige Finanzwirtschaft: Grundlagen und Konzepte für die Praxis.