„Der wahrhaft siegreiche Futurist ist kein Prophet. Er besiegt nicht die Zukunft, sondern gewinnt die Gegenwart“ (Bruce Sterling). Dieses Zitat in Matthias Horx´“Handbuch für Zukunftsagenten“ (Zukunftsinstitut, 2016) brachte es schon lange vor Corona auf den Punkt. Horx, bekannt für seine kühnen Thesen, seinen mutigen und gleichzeitig fundierten Blick auf das, was wir „Zukunft“ nennen, prognostiziert damit die Ablösung des Nachhaltigkeitskonzeptes durch die Resilienz.
Als ganzheitlicher Prognostiker, der sich von Zukunftsforschern deutlich unterscheidet, war seine These schon weit vor der Pandemie wegweisend. Denn genau dieses Szenario erlebt die Welt zurzeit: Bevor das Virus zum weltumspannenden Determinus wurde, beherrschte der Blick auf die Ökologie das Geschehen in Nachrichten, Netzwerken und Diskussionen. „Fridays for future“ wurde zu einer weltweiten Massenbewegung und „Nachhaltigkeit“ der Begriff, der sie prägte. Dabei stand Nachhaltigkeit für eine Art Harmonie-Illusion, die im Kern das Streben nach Ausgleich beschrieb: eine Balance mit „der Natur“ herzustellen und das entstandene Ungleichgewicht zu revidieren.
Seit Beginn 2020 zeigt uns nun eine mikroskopisch kleine Struktur, dass komplexe, und damit häufig auch fragile Systeme grundsätzlich und in diesem Falle auch unvorhersehbar zur Selbstregulation neigen. Niemand kann derzeit abschätzen, welche Auswirkungen der Lock-down langfristig auf die Wirtschaft hat und welchen sozialen Herausforderungen wir uns noch stellen müssen. Damit müssen wir uns auseinandersetzen. Krisen und herausfordernde Zeiten sind nichts Neues. Betrachtet man jedoch, was letztlich der Schlüssel zur Krisenbewältigung war und ist, wird schnell deutlich, dass dieser niemals auf der Handlungsebene, sondern vielmehr auf der Haltungsebene liegt. Dies ist die intrinsische Grundlage, die unser Verhalten, insbesondere in herausfordernden, bedrohlichen Situationen, bestimmt. Resilienz ist der Begriff, der genau diese Haltung beschreibt.
Resiliente Menschen und Systeme haben eines gemeinsam: die Überzeugung, dass Komplexität – und damit Fragilität – immer mit Varianz und Toleranz einhergeht. Sie sind in der Lage, Krisen anzunehmen, sie klar zu benennen, Bedrohungen zu erkennen, und aus intrinsischer Motivation und Haltungskompetenz heraus lösungsorientiert zu handeln. Konkret zeigt das der „Atlas of Economic Complexity“ (Hausmann, Hidalgo et al., 2014), der belegt, dass Volkswirtschaften, die eine Vielfalt ökonomisch vernetzter Aktivitäten aufweisen, am flexibelsten auf und in Krisen reagieren und sie damit letztlich erfolgreich meistern. Gleiches gilt für jeden einzelnen Menschen. Resiliente Menschen verfügen über eine größere Vielfalt an Handlungsoptionen, die im Resilienz Modell als Resilienz Kompetenzen bezeichnet werden. Seit über 50 Jahren beschäftigt sich die Resilienzforschung damit, was Menschen ausmacht, die herausfordernde oder existenzbedrohende Phasen in ihrem Leben besser meistern als diejenigen, die daran zu zerbrechen drohen. Was bringen sie mit, wie und warum handeln sie anders, um gestärkt aus solchen Zeiten hervorgehen? Vereinfacht ausgedrückt handelt es sich dabei um acht grundlegende Kompetenzfelder, die – in unterschiedlicher Ausprägung – Resilienz ausmachen:
All diesen Kompetenzen gemein ist, dass sie durch gezielte Weiterbildung trainiert werden können. Langfristiger – und damit nachhaltiger und verlässlicher – Aufbau einer resilienten Grundhaltung – ist die wirkliche Herausforderung, der wir uns spätestens genau JETZT stellen sollten.