Unternehmen und Banken stehen bei (Kredit-)Finanzierungen zunehmenden Herausforderungen gegenüber. Diese beziehen sich nicht mehr nur auf die Fragen nach der Kapitaldienstfähigkeit, den zu bestellenden Sicherheiten oder einem adäquaten Eigenkapitaleinsatz, sondern im Zuge von Finanzierungsentscheidungen stehen Nachhaltigkeitsaspekte und ESG-Faktoren zusätzlich im Fokus.
Vor dem Hintergrund der nationalen und europäischen Klimaziele wurde in letzter Zeit ein ganzer Blumenstrauß an neuen rechtlichen Vorgaben und Regulierungen erlassen. Ein wesentliches Ziel der Neuerungen ist die Schaffung von Transparenz in den Geschäftsmodellen von Unternehmen, die mehr und mehr gefordert sind, ihre Nachhaltigkeits- und ESG-Faktoren (E = Environment, S = Social, G = Governance) zu identifizieren, zu quantifizieren und letztlich damit mess- und vergleichbar zu machen. Unternehmen mit Geschäftsmodellen, die diesen Anforderungen nicht (mehr) gerecht werden, laufen Gefahr, dass sie keine Finanzierungen mehr von Banken bekommen oder sich zumindest die Kreditfinanzierung deutlich schwieriger darstellen kann.
Nicht nur Großunternehmen sind von den einschlägigen und zunehmend verschärften Regularien betroffen, sondern auch mittelständische Unternehmen, die den Löwenanteil der Unternehmen in Deutschland darstellen. Auch wenn viele Mittelständler derzeit noch nicht direkt von rechtlichen Vorgaben wie zum Beispiel dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), welches zum 1. Januar 2023 in Kraft treten wird, betroffen sind, müssen sie sich im Zusammengang mit Lieferketten, in denen sie eingebunden sind, zwangsläufig bereits heute mit der Thematik intensiv beschäftigen. Des Weiteren ist bereits heute die Ausweitung der gesetzlichen Regelungen auch auf kleinere Unternehmen beschlossen. Dies gilt nicht nur für Deutschland, sondern europaweit.
Die gesellschaftliche und umweltbezogene Verantwortung von Unternehmen und Banken hat eine ganz neue Dynamik erfahren. Die „soziale Verantwortung“ und deren Beurteilung im Rahmen von Kredit- und Finanzierungsentscheidungen ist inzwischen – neben der Jahresabschlussanalyse – zu einem weiteren Kernbestandteil bei der Kreditwürdigkeits- und Bonitätsprüfung geworden. Ratingsysteme greifen zunehmend nicht mehr nur auf die klassischen „Hard- und Softfacts“ zurück, sondern beziehen auch die ESG-Faktoren mit ein.
Auch bisher ist bereits das Nachhaltigkeitsbewusstsein bei Großunternehmen und im Mittelstand durchaus vorhanden, jedoch fehlt es oft noch an einer strukturierten und für externe Dritte, wie Banken oder Geschäftspartner, gut lesbaren Berichterstattung. Die in diesem Jahr auf europäischer Ebene vereinbarte Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) – lediglich das Europäische Parlament muss noch seine formelle Zustimmung geben – soll am 1. Januar 2024 in Kraft treten, wobei weitere Verschärfungen auch hier bereits vorprogrammiert sind. Es reicht aber nicht aus, sich erst zum Zeitpunkt des Inkrafttretens mit den Inhalten auseinanderzusetzen, sondern es bedarf einer umfassenden und strukturierten Vorbereitung. Nur so wird sichergestellt sein, dass die Unternehmen auch gesetzeskonform berichten können. Mit der CSRD wird nicht nur die Bedeutung der Berichterstattung über die Auswirkungen des eignen Geschäftsbetriebes auf Mensch und Umwelt steigen, sondern es wird über konkrete Nachhaltigkeitsaspekte zu berichten sein, wie zum Beispiel CO2-Emissionen.
Zudem muss die Nachhaltigkeitsberichterstattung künftig – analog der Finanzberichterstattung – in eine externe Prüfung durch den Wirtschaftsprüfer (bei entsprechender Prüfpflicht) einbezogen werden und sie wird Teil des Lageberichts sein.
Nicht nur die Unternehmen stellen die (neuen) Anforderungen vor große Herausforderungen, sondern auch die mit Kreditentscheidungen befassten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Banken und Sparkassen sowie anderen Kredit- und Finanzierungsinstituten müssen sich mit der komplexen Materie befassen. Die Bilanz und GuV von Unternehmen können nur dann zielgerichtet analysiert und beurteilt werden, wenn man deren Aufbau, Inhalt und Ermessenspielräume kennt. Ebenso wird die Nachhaltigkeitsberichterstattung im Zuge von Finanzierungen nur dann strukturiert und treffend zu beurteilen sein, wenn man sich mit der Materie und den wichtigsten gesetzlichen Anforderungen hierzu auseinandergesetzt hat. Zur Bewertung von Nachhaltigkeitszielen und ESG-Faktoren können unter anderem KPI´s, also Kennzahlen, gut herangezogen werden. Wie auch in der klassischen Bilanz- und GuV-Analyse haben Kennzahlen den großen Vorteil, dass sie direkt miteinander in Beziehung gesetzt werden können, man sie im Zeitablauf vergleichen kann und mit Kennzahlen von anderen Unternehmen sowie auch Branchenwerten direkt vergleichen kann. Somit entsteht ein umfassendes Bild über das zu beurteilende Unternehmen und die Einbettung der „Nachhaltigkeitsbonität“ in die finanzielle Bonität wird unterstützt. Entsprechende Fortbildungen werden also unerlässlich sein.