Seit einigen Wochen arbeiten viele von uns im Homeoffice. Statt an Sitzungen nehmen wir an Videokonferenzen teil, das Pendeln entfällt, und unsere Flüge werden alle storniert. Die Autobahnen sind wie leer gefegt, die Straßen fast menschenleer.
Die Medien verbreiten alarmierende Coronavirus-Statistiken und beängstigende Informationen über die Auswirkungen der Pandemie auf das Alltagsleben. Es gibt allerdings auch Stimmen, die der Gesundheitskrise einen globalen „positiven Nebeneffekt“ bescheinigen: Es gibt weniger Umweltverschmutzung, Wasser und Luft sind sauberer. Laut Weltgesundheitsorganisation führt die Luftverschmutzung jedes Jahr zu rund vier Millionen vorzeitigen Todesfällen.
Das Risiko der Ausbreitung von Infektionskrankheiten wurde bereits als ein relativ unwahrscheinliches Vorkommnis identifiziert, allerdings auch als eines mit potenziell weitreichenden negativen Auswirkungen (Risikobericht des Weltwirtschaftsforums). Demgegenüber gilt der Klimawandel als die größte Einzelbedrohung – das wahrscheinlichste und gefährlichste Risiko weltweit. Der Klimawandel betrifft uns alle, genau wie das Coronavirus, wenn auch in stärkerem Ausmaß Menschen in Ländern mit schwacher Gesundheitsinfrastruktur. Der Klimawandel ist besonders schädlich für gefährdete Bevölkerungsgruppen sowie Kinder, die den gesundheitlichen Folgen länger ausgesetzt sein werden (Weltgesundheitsorganisation – WHO). Der Klimawandel wirkt sich bereits jetzt auf die Gesundheit von Millionen von Menschen aus, denn er beeinträchtigt die Luft, die wir atmen, das Wasser, das wir trinken, die Lebensmittel, die wir essen, usw. Naturkatastrophen treiben jährlich nahezu 30 Millionen Menschen in die Armut (IPCC, 2018). Die Auswirkungen des Klimawandels sind geografisch unterschiedlich, unvorhersehbar und entwickeln sich exponentiell. Je nach Wirksamkeit der Klimaschutzmaßnahmen werden sie sich voraussichtlich verschlimmern (IPCC, 2018).
Um dieser Herausforderung zu begegnen, sind viele Länder 2015 dem Klimaschutzabkommen von Paris beigetreten. Uns bleibt noch etwa ein Jahrzehnt, um weltweite Emissionen drastisch zu reduzieren und damit die Zahl der Menschen, die sowohl von klimabedingten Risiken als auch von Armutsgefährdung bedroht sind, bis 2050 um bis zu mehrere hundert Millionen zu verringern (IPCC, 2018). Die Wende muss schnell erfolgen. Erforderlich sind dafür kollektive Maßnahmen und politische Führung, um die Energieeffizienz zu verbessern, den Einsatz von Technologien für erneuerbare Energie zu erhöhen und den Kohleausstieg voranzutreiben. Außerdem müssen mehr Finanzmittel mobilisiert und bereitgestellt, politische Reformen unterstützt und Kapazitäten aufgebaut werden (OECD, 2019).
Bedingt durch die Coronakrise waren wir in den vergangenen Wochen in der Lage, unsere Lebensweise radikal zu verändern. Wir haben bewiesen, dass eine schnelle, globale Verhaltensänderung möglich ist. Seit vielen Jahren beobachten wir, dass Regierungen und die Gesellschaft es insgesamt versäumen, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels zu verhindern. Zweifellos haben viele von uns darüber nachgedacht und sich gefragt, ob wir aus der Krise nützliche Lehren für die Zukunft ziehen können. Müssen wir wirklich erst stark vom Klimawandel beeinträchtigt werden, bevor wir reagieren?
Wird das Leben nach dem Corona-Ausbruch wieder zur Normalität zurückkehren? Aus Studien geht hervor, dass der Klimawandel auch die Ausbreitung von Infektionskrankheiten begünstigt (Weltwirtschaftsforum – WEF). Durch die extreme globale Erwärmung könnten bis 2080 Milliarden von Menschen in bisher nicht betroffenen Regionen wie Europa und Ostafrika Krankheiten ausgesetzt werden, die durch Moskitos übertragen werden (WHO).
Vielleicht wird uns diese Erfahrung ja lehren, dass wir den Klimawandel ebenfalls ernst nehmen sollten.