FRANKFURT SCHOOL

BLOG

AufBruch zur agilen Organisation
Management / 19 April 2017
  • Share

  • 9545

  • 0

  • Print
Professor of Bank and Process Management at Frankfurt School of Finance & Management
Professor for Bank and Process Management at Frankfurt School of Finance & Management. His teaching and research focus on Strategy Development, Business Engineering and Business Process Management in the financial industry. He is the founder and head of ProcessLab – a research centre of Frankfurt School focusing on process management in the financial services industry. He is also the author/editor of eleven books and has published around 300 articles in academic and practice-oriented journals. He presents his research results at conferences both nationally and internationally.

To Author's Page

More Blog Posts
Welche Rolle spielen Banken in der Plattformwirtschaft?
Leadership in the age of digitisation: finance in focus
Should pandemic scenarios be included in the risk management tool box?

Seit einiger Zeit besteht in der Finanzbranche große Einigkeit darüber, dass die Banken und Versicherer agil werden müssen. Das ist auch dringend nötig. Der Begriff „AufBruch“ mit dem großgeschriebenen „B“ symbolisiert den erforderlichen Bruch mit traditionellen Denkweisen, althergebrachten Verfahrens- und Verhaltensweisen und starren Organisations­strukturen der heutigen Institute.

Bei diesem AufBruch geht es nicht nur um die Nutzung neuer Technologien und Veränderungen der Geschäftsprozesse. Vielmehr geht es darum, die Finanzunternehmen schneller, aktiver und flexibler zu machen („agil“), die Innovationsfähigkeit zu steigern, die Geschwindigkeit von Veränderungen zu erhöhen sowie das Denken des Managements und der Mitarbeiter derart neu auszurichten, dass es tatsächlich zu Kulturveränderungen in den Unternehmen kommt.

Die Aufgabe ist auch deshalb so groß, weil der Bank- bzw. Versicherungsbetrieb (zunächst) in klassischer, sicherer und regulationskonformer Weise weiterzuführen ist („Run the Company“). Gleichzeitig muss aber der Umbau in Richtung einer agilen, in der konkreten Form jedoch noch unbekannten Organisation erfolgen („Change the Company“). Die Fähigkeit, nach Neuem zu suchen („Exploration“) und gleichzeitig das Bestehende weiter zu verbessern („Exploitation“) wird in der Organisationsforschung als Ambidextrie bezeichnet. Das Managen dieser Ambidextrie stellt eine große Aufgabe für das heutige Top-Management dar.

Letztlich geht es um Prozessinnovation

Wofür ist Agilität nötig? Innovation bedeutet in der Finanzbranche letztlich immer Prozessinnovation. Auch wenn man z.B. beim „8-Minuten-Konto“ (also Kontoeröffnung mit Legitimationsprüfung in acht Minuten, z.B. bei comdirect und N26) vom „Produkt“ spricht, handelt es sich im Wesentlichen um einen neu entwickelten, eben innovativen Prozess. Um ein solches Produkt bzw. den zugrundeliegenden Prozess in kurzer Zeit entwickeln und implementieren zu können, ist Agilität erforderlich. Die Kompetenzträger müssen aus der Linie herausgeholt werden, um dann mithilfe von Methoden wie z.B. Design Thinking einen neuen, möglichst vollständig digitalisierten Prozess „end-to-end“ zu kreieren. Über traditionelle Funktionsgrenzen hinweg sowie unter Einbindung von Technologiepartnern, wie z.B. FinTechs, gilt es, diesen Prozess dann schnellstmöglich und mit hoher Qualität zu implementieren. Nur dann kann es gelingen, bei einer heute kaum möglichen Produktdifferenzierung, schnell am Markt zu sein.

In einer starren Organisation dauert die Prozessentwicklung möglicherweise ein Jahr oder mehr, in einer agilen Organisation dann nur noch 3 Monate oder weniger. Diese Geschwindigkeit ist in der klassischen Unternehmensstruktur mit ihren Hierarchien und eingeübten Verfahrens- und Verhaltensweisen nicht zu erreichen. Daher wird der „Dual Speed“-Ansatz propagiert. Dieser setzt eine Trennung in die oben erwähnte „Run the Company“- und „Change the Company“-Organisation voraus. Wie das Zusammenspiel verschiedener Organisationsstrukturen aussieht, ist jedoch noch völlig offen.

Banken und Versicherer sind noch im Experimentierstadium

Der Wille in der deutschen Finanzbranche, Veränderungen anzugehen, ist unverkennbar. Das Erreichen von „Agilität“ ist dabei ein zentraler Aspekt. Allerdings sind die Vorgehensweisen, die eingesetzten Methoden und Konzepte und auch die Veränderungsgeschwindigkeiten der einzelnen Häuser sehr unterschiedlich.

Beispielsweise hat die niederländische ING, inspiriert von Unternehmen wie Google, Netflix und Spotify, die „Squad/Tribe“-Struktur etabliert. Innovation Hubs an wichtigen Finanz- bzw. Technologieorten wie London, Singapur und dem Silicon Valley einzurichten, ist eine weitere Möglichkeit, die aber nur für global tätige Institute wie Allianz, BBVA, Deutsche Bank und HSBC sinnvoll erscheint. Für andere, ebenfalls große Banken und Versicherer mag der Aufbau eines „Digital Campus“ (Commerzbank) oder eines „Digital Lab“ (ERGO) ein geeignetes Format sein. Andere Institute lassen Mitarbeiter zu Scrum-Mastern ausbilden oder schicken Personal auf Design-Thinking-Seminare.

Die Institute befinden sich heute im Experimentierstadium. Das ist auch gut so. Allerdings stellen sich viele Fragen, die im Laufe der Zeit zu beantworten sind, u.a.:

  • Welche Konzepte sollten Finanzdienstleister in ihrem Bemühen, agil zu werden, verfolgen? Sind erste Ergebnisse erkennbar?
  • Scrum-Master, Design Thinking, Kanban-Prinzip, Squad-Struktur – eine Vielfalt von Ideen, Methoden und Konzepten ist verfügbar. Aber was ist für welches Unternehmen wirklich geeignet? Wie lassen sich die Konzepte in die „tägliche“ Arbeit integrieren?
  • Funktioniert der AufBruch eher mittels externer, isolierter Strukturen oder sollte der AufBruch aus der Altorganisation heraus stattfinden?
  • Wie lassen sich die eher traditionellen, auf Verbesserung von bestehenden Prozessen ausgelegten Konzepte wie Lean Six Sigma mit disruptiven Ansätzen verbinden?
  • Ist der Erfolg (oder Misserfolg) von „Agil-Konzepten“ messbar? Sind kulturelle Auswirkungen feststellbar?
  • Welche Rolle spielt der Kunde? Welche Auswirkungen hat der AufBruch zur agilen Organisation auf die Mitarbeiter und Führungskräfte?
  • Was tragen FinTech-Unternehmen zur agilen Organisation eines „Incumbent“ bei? Welche Rolle können sie in fluiden, agilen Bank- oder Versicherungsstrukturen spielen?

Der AufBruch zur agilen Organisation ist die große Aufgabe der Finanzbranche. Das zügige Einleiten des AufBruchs, das Ausrichten auf die für das jeweilige Haus geeigneten Konzepte und Verfahren, die Begeisterung der Führungskräfte und Mitarbeiter für den AufBruch und letztlich die konsequente und nachhaltige Implementierung im Unternehmen werden in ihrer Gesamtheit zu einer notwendigen Bedingung, um am Markt bestehen zu können.

Die Konferenz „AufBruch zur agilen Organisation“ bietet eine Plattform für den Erfahrungsaustausch zur Transformation von Banken. Insbesondere geht es darum, wie die Banken zu flexiblen und schnellen Unternehmen werden können. Organisiert wird die Konferenz vom ProcessLab der Frankfurt School of Finance & Management.

0 COMMENTS

Send