Die Entrepreneurship-Forschung ist weit gediehen und Dank des großen Engagements der indischen Kognitionswissenschaftlerin Frau Prof. Dr. Saras D. Sarasvathy um neue Denkansätze reicher. Sie lehrt Entrepreneurship und Ethik an der Darden Graduate School of Business Administration der Univerity of Virginia und prägte das Kunstwort “Effectuation”. Effectuation beschäftigt sich mit der Frage, wie erfahrene und erfolgreiche Unternehmer/innen handeln und Entscheidungen unter Ungewissheit treffen. Das Team um Sarasvathy erforscht seit den frühen 90er Jahren das Thema “unternehmerische Expertise“, hörte gestandenen und erfahrenen Unternehmer/innen beim Denken zu, die ihre Unternehmen teilweise an die Börse gebracht haben, aber durchaus auch mit dem ein oder anderen Geschäftsmodell gescheitert waren. Was das Team herausfand, stellte die klassichen Managemettheorien auf den Kopf. Klassische Managementtheorien sagen uns, dass klare Ziele das non plus ultra sind, nur wer ein klares Ziel vor Augen hat, kann erfolgreich sein. Das Unternehmen ist dann eben so zu organisieren und mit Mitteln auszustatten, um das Ziel bestmöglich zu erreichen. Überträgt man diesen Ansatz auf die Zubereitung eines Abendessens, bedeutet dies
Erfahrene Unternehmer, so Sarasvathy, handeln anders. Sie kommen erkundend ins handeln, öffnen den Kühlschrank und kochen mit dem, was sie dort vorfinden. Sie bedienen sich der Kompetenzen, Fähigkeiten und Fertigkeiten, die sie zur Verfügung haben, den Dingen, die sie gut können und wählen einen ressourcenorientierten Ansatz für Entscheidungsprozesse.
Der Effectuation-Ansatz umfasst vier Prinzipien, die der österreichische Trainer und Coach Michael Faschingbauer in seinem Buch eindrucksvoll und umfassend erläutert hat.
Bird-in-Hand-Prinzip
Erfahrene Unternehmer/innen arbeiten mit den Ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln, laufen nicht irgendwelchen fernen Zielen hinterher, die nicht planbar sind. Sie wollen die Zukunft nicht planen, sondern gestalten.
Affordable-Loss-Prinzip
Erfahrene Unternehmer/innen gehen solche Risiken ein, die sie sich leisten können. Unter der Prämisse der kleinen Schritte, den nächsten wagen und zur Verfügung stehende Mittel dafür einsetzen. Sie setzen nicht alles auf eine Karte nach dem Motto “Ich habe den todsicheren Instinkt”, sondern wollen eingegangene Risiken beherrschbar machen, um flexibel zu bleiben und u.U. einen Richtungswechsel vornehmen zu können.
Crazy-Quilt-Prinzip
Nach diesem Prinzip suchen sich erfahrene Unternehmer/innen Kooperationspartner danach aus, wer wie zueinander passt in einem lockeren patchwork Verbund. Mehrere Partner bringen ihr Wissen und ihre Erfahrungen ein und handeln untereinander Nahtstellen aus, wie bei einem Puzzle, ohne den Blick auf das große Ganze zu haben. Es geht also nicht darum, die richtigen Partner für ein fernes Ziel einzubinden, sondern diejenigen, die mitmachen.
Lemonade-Prinzip
Erfahrene Unternehmer/innen nutzen Überraschungen, ziehen positive Energie aus Pannen oder gescheiterten Vorhaben und versuchen so, auf neue Ideen zu kommen und Routinen zu vermeiden.
Ein sehr eindrucksvolles 15-minütiges Video mit Michael Faschingbauer zum Effectuation-Ansatz finden Sie hier: Entscheidungsprozess. Wer dazu gerne etwas lesen will, dem sei die wissenschaftliche Abhandlung von Monika Nörr empfohlen, “Effectuation – eine Entscheidungslogik für (erfahrene) Entrepreneure”. Viel Spass beim weiterdenken! Andreas Küppers