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Einführung einer Konfliktmanagement-Kultur
Executive Education / 26 April 2016
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Freiberufliche Rechtsanwältin, Mediatorin und Business-Coach; Gesellschafterin der mediate.am
Anke Stein-Remmert ist freiberufliche Rechtsanwältin, Mediatorin und Business-Coach sowie Gesellschafterin der mediate.am. Sie begleitet Unternehmen und deren Mitarbeiter in Krisen - und Konfliktsituationen. Ihr Schwerpunkt liegt in der Arbeit mit Blockaden, Emotionen und der Entwicklung einer ziel- und lösungsorientierten Haltung.

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Ein überstrapaziertes Thema – oder längst überfällig?

Von der Einführung einer Konfliktmanagementstruktur wird aktuell viel gesprochen. Die meisten Unternehmen scheuen noch den Blick auf diese Thematik und oft wird die Einführung eines Konfliktmanagementsytems darunter verstanden. Insbesondere der vermeintlich große Aufwand der Installation scheint in keinem Verhältnis zu den – bislang aus Sicht vieler Unternehmen nicht hinreichend validierten – Vorteilen zu stehen. Die Einführung eines Konfliktmanagementsystems bedarf eines umfangreichen, prozessualen Aufwandes. Inhaltlich trägt es sich nur über das gelebte Selbstverständnis eines offenen Umganges mit Konflikten, hervorgerufen durch die dahinter stehenden Emotionen. Dieses sind Faktoren, die bei der Installation eines Konfliktmanagementsystemes übersehen werden, aber Gegenstand einer Konfliktmanagementkultur sind. Die Konfliktmanagementkultur ist das Herzstück eines funktionierenden Konfliktmanagementsystemes. In vielen Unternehmen ist sie sogar völlig ausreichend. Als Experte für Krisen- und Konfliktmanagement höre ich an dieser Stelle häufig Aussagen wie: „Wir haben unsere Konflikte – so sie denn überhaupt auftreten – auch so immer sehr gut lösen können.“ Oder auch „Für die wenigen Konflikte, die wir in unserem Unternehmen haben, lohnt sich der Aufwand der Einführung einer Konfliktmanagementkultur doch gar nicht.“ Weit gefehlt. Die Unternehmen, die diese Aussagen treffen, verkennen die Folgeerscheinungen, die ungelöste Konflikte und auch ein unprofessioneller, oft vermeidender und wenig wertschätzender Umgang mit ihnen, mit sich bringt. Auch wird häufig ausschließlich auf heiße, also offen ausgetragene Konflikte rekrutiert. Die kalten und latenten Konflikte, die unter der Oberfläche schwelen, bleiben dabei zumeist außer Acht. Die Folge sind Abfall der Leistungsfähigkeit und Produktivität, Verlust der Identität mit dem Unternehmen und seinem Produkt, Diskrepanzen im Team sowie hohe Krankenstände, um nur die wesentlichen Faktoren zu benennen. So lohnt sich auch ein wirtschaftlicher Blick auf das Thema. Nicht selten führt dies zur inneren Kündigung und dem „Dienst nach Vorschrift“. Der Einwand seitens der Unternehmen, „der Mitarbeiter möge doch selbstverantwortlich entweder seine Konflikte selber lösen oder aber diese ansprechen“, läuft ebenfalls ins Leere. Denn gerade in Unternehmen, in denen der gute Umgang mit Konflikten nicht zum Selbstverständnis gehört, fühlen sich Mitarbeiter nicht verstanden, wenn sie diese ansprechen und fürchten Konsequenzen. Gelten sie doch als wenig kommunikativ oder teamfähig und vor allen Dingen nicht selbstverantwortlich in der Sache. Im Ergebnis werden Unstimmigkeiten totgeschwiegen. Dabei gilt aus meiner Erfahrung: „Was lange gärt, wird endlich Wut!“

Was ist denn nun eine Konfliktmanagementkultur? Worum geht es dabei?

Bei der Einführung einer Konfliktmanagementkultur geht es um den grundsätzlichen Umgang mit Konflikten. Das klingt schlicht und offensichtlich, jedoch liegt hier die Tücke im Detail. Während viele Führungskräfte meinen, sich bereits sehr gut aufgestellt zu haben, fehlt es häufig an der grundsätzlichen Akzeptanz hinsichtlich des Vorkommens von Konflikten und den damit einhergehenden betroffenen Emotionen. Praxisaussagen wie „Das ist doch alles psychologisches Gequatsche und hat mit unserer Arbeit nichts zu tun“, begegnen mir an dieser Stelle häufig. Insbesondere der Umgang damit fällt vielen Führungskräften schwer oder wurde häufig nicht erlernt. Emotionen können wie eine Fremdsprache eingestuft werden. Der passive Wortschatz ist oftmals noch Jahre nach dem Erlernen gut ausgeprägt, der aktive Wortschatz nur noch rudimentär vorhanden. Diesen gilt es zu aktivieren oder neu zu erlernen –um authentisch eine Haltung zu vertreten. Einer Haltung, die das Wohl und Wehe der Mitarbeiter als wesentlich anerkennt, persönliche Bedürfnisse weder bewertet noch herunterspielt, sondern tatsächlich priorisierend betrachtet und wertschätzend mit Aspekten der Verletzlichkeit und Emotionalität Einzelner umgeht. Auch das Erkennen, dass Emotionen einen wesentlichen Teil der Mitarbeiteridentifikation und –motivation ausmachen, gehört dazu. So ist es gerade die intrinsische Motivation des Einzelnen, die gefördert und gesponsert werden sollte, um Mitarbeiterzufriedenheit zu erzeugen, die schließlich in Leistungssteigerung sowie Krankenstandssenkung mündet. Aber wie sieht denn nun die Annäherung an diese Thematik praktisch aus?

  • Als erster Schritt ist es wichtig, alle Mitarbeiter hierarchieübergreifend in den Prozess mit einzubinden. Das Ergebnis der gelebten Wertschätzung und Vertraulichkeit ist Verbundenheit mit den erarbeiteten Ergebnissen. Grundvoraussetzung, um die aufgestellte Kultur dauerhaft mit Leben füllen zu können.
  • In einem zweiten Schritt erfolgt die Definition des mit der Konfliktkultur angestrebten Unternehmensziels (bspw. Krankenstandsenkung). Die Mitarbeiter definieren ihre jeweilige Rolle und wesentliche Werte wie zum Beispiel Offenheit, Vertraulichkeit, Kommunikation oder Wertschätzung und legen ein gemeinsames Verständnis fest.

Besonderes Augenmerk bei der Einführung einer Konfliktkultur liegt in der Arbeit mit einer entsprechend offenen Haltung hinsichtlich des Anerkennens und Umganges mit Konflikten. Die Führungskräfte erlernen einen mediativen, kompetenzorientieren Führungsstil. Über selbstreflexive Methoden arbeiten sie ihr persönliches Selbstverständnisses gegenüber ihrer Führungsaufgabe und ihres individuellen Führungsstils heraus. Für Mitarbeiter bedeutet dies ebenfalls eine selbstreflexive Annäherung an die Tatsache, dass es gerade die latenten Missstimmungen sind, die Auslöser für Unwohlsein, Leistungsabfall und Krankheit darstellen. Sie erlernen Vertrauen zu entwickeln und den zielorientieren Umgang mit Emotionen. Die erarbeiteten und erzielten Ergebnisse dieser Kulturveränderung greifen überraschend schnell und verändern Unternehmen langfristig. Der Aufwand ist – gemessen an der zu erwartenden Wirkung – als sehr gering einzustufen.

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